Für seine Schwerhörigkeit sollte sich niemand schämen müssen, meint Christiane Völter. © Anette Wenzig

Medizin Wie eine schicke Brille

Wer schlecht hört, dem kann geholfen werden. Er muss sich nur zum Arzt trauen. Und bereit sein, an seinem Hören zu arbeiten.

Die Medizin kann schwerhörigen Menschen heute viele Therapiemöglichkeiten anbieten. Gerade ältere Patienten gewinnen erheblich an Lebensqualität, wenn sie individuell und sinnvoll versorgt werden. Privatdozentin Dr. Christiane Martinez-Völter, Spezialistin an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Ruhr-Universität im St. Elisabeth-Hospital, gibt einen Einblick in ihre Arbeit.

Würden Sie sich wünschen, dass die Patienten mit einer Hörbeeinträchtigung möglichst früh zu Ihnen kommen?
Bei Kindern ist es ganz ohne Frage wichtig, dass diese frühestmöglich eine qualifizierte Hördiagnostik und auch Therapie erhalten, um negative Auswirkungen auf die sprachliche und kognitive Entwicklung zu verhindern. Hier war die Einführung des Neugeborenenhörscreenings ein wichtiger Schritt. Aber auch Erwachsene sollten nicht zu lange zögern, bis sie zum Arzt gehen, geht man doch davon aus, dass eine Hörrehabilitation umso erfolgreicher ist, je früher sie einsetzt. Vergessen sollte man auch nicht, dass der Partner oder die nächsten Angehörigen oft ebenso unter der jahrelang bestehenden Hörstörung und der gestörten Kommunikation wie die Betroffenen selbst leiden.

Welche Versorgung ist für den einzelnen die richtige?

Und dann gibt es für jede und jeden die richtige Therapie?
Ganz so einfach ist es nicht: Die schwierigste Frage ist für uns oft: Welche Versorgung ist für den einzelnen die richtige? So ist es bei Menschen mit einer Mehrfachbehinderung oft schwierig einzuschätzen, welchen Nutzen sie von einer Hörhilfe haben. Öffnet man ihm dadurch wenigstens einen Sinneskanal in seine Umwelt? Oder ist er aufgrund seiner Grunderkrankung vielleicht gar nicht in der Lage, diese Eindrücke zu verarbeiten? Sind diese Eindrücke für ihn gar störend?

Was wünschen Sie sich für Ihr Fachgebiet?
Ich würde mir wünschen, dass das Tragen einer Hörhilfe so selbstverständlich wird wie das Tragen einer Brille. Wir können für viele Menschen sehr viel Lebensqualität erreichen. Aber noch haftet dem Thema Schwerhörigkeit ein Stigma an: Wer ein Hörgerät braucht, ist alt, hat ein Manko. Das stimmt nicht und steht vielen Hörgeschädigten im Weg.

Unveröffentlicht

Von

Meike Drießen

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