Wirtschaft Wenn in Firmen der Umweltschutz zur Chefsache wird
Von fairen Löhnen und 3-D-Druckern: Was Nachhaltigkeit für die Produktionswirtschaft bedeutet, nehmen Bochumer Wissenschaftler in den Blick.
Nachhaltigkeit hat nicht nur etwas mit Ökologie zu tun. Prof. Dr. Marion Steven und Timo Klünder vom Lehrstuhl Produktionswirtschaft untersuchen, wie sich die Nachhaltigkeit auf wirtschaftliche Prozesse auswirkt und wie die unterschiedlichen Aspekte – Ökonomie, Ökologie und Soziales – miteinander zusammenhängen.
Für die Wissenschaftler sind diese Aspekte drei Säulen, die die Nachhaltigkeit einer Firma bestimmen. „Die ökonomische Säule muss jedes Unternehmen berücksichtigen. Sonst kann eine Firma am Markt nicht bestehen. Die anderen Säulen, die soziale und die ökologische, sollten allerdings auch beachtet werden, weil die Kunden Wert darauflegen“, sagt Steven.
Der Kunde verlangt von den Unternehmen eine gewisse Transparenz hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit.
Marion Steven
„Seit den 1980er-Jahren gibt es Firmen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben. Inzwischen verlangt der Kunde von den Unternehmen eine gewisse Transparenz hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit“, sagt die Ökonomin. Es sei heute üblich, dass große Firmen Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen, so Steven weiter. Die Unternehmen zeigen ihren Kunden damit, wo sie Prozesse sozialer und ökologischer gestalten. Die Nachhaltigkeit sei somit Teil der Marketing- und Kommunikationsstrategie, erläutert die Wissenschaftlerin.
Ist das T-Shirt ohne Kinderarbeit entstanden? Erhalten die Kaffeebauern faire Löhne? Wo kommt das für Möbel verwendete Holz her? Soziale und ökologische Bedingungen sind nicht nur für die Kunden wichtig. „Auch die Arbeitnehmer sind zufriedener und loyaler, wenn sie in einem umweltorientierten Unternehmen und unter fairen Bedingungen arbeiten“, sagt Steven.
Trotzdem motivieren nicht nur Kunden und Arbeitnehmer die Geschäftsführer, etwas an den Produktionsbedingungen und Lieferketten zu verändern. „Die Unternehmen, die Umweltschutz zur Chefsache gemacht haben, haben schnell gemerkt, dass sie mit optimierten, nachhaltigeren Prozessen auch Geld sparen können“, so Steven. Wasseraufbereitung, kurze Transportwege, geringer Stromverbrauch sind nur wenige Beispiele dafür.
Nachhaltigkeit als Trend?
Hält das Interesse an der Nachhaltigkeit denn auch an? Timo Klünder sagt, dass das Thema in den vergangenen fünf Jahren auffällig häufig nicht nur im Bereich der wissenschaftlichen Veröffentlichungen, sondern auch bei den Unternehmen auftaucht. Von einem Trend könne man durchaus sprechen, der allerdings gerade abgelöst werde, ergänzt er.
Klünder promoviert zum Wirtschaftstrend der Digitalisierung. „Die Nachhaltigkeit wird von der Digitalisierung überlagert. Beide Entwicklungen können sich aber aufeinander auswirken“, sagt er. In seiner Dissertation beschäftigt er sich damit, wie genau sich die beiden Trends beeinflussen können.
Die Digitalisierung bietet die Chance, Produktionsverfahren zu verschlanken und Materialien einzusparen. Ein Beispiel dafür ist der 3D-Drucker. „Mit dem 3D-Drucker lassen sich Fertigungsteile präzise und individuell für den Kunden herstellen“, erklärt Klünder. Mit dieser Fertigungsart spart ein Unternehmen Ressourcen, weil zum Beispiel ein Materialverschnitt wegfällt. Und das wirkt sich auf die ökologische Nachhaltigkeit aus. Auch unter sozialen Aspekten kann sich ein 3D-Drucker lohnen. „Mit der Digitalisierung werden zum Beispiel Arbeitsplätze nach Deutschland zurückgeholt“, stellt Klünder fest. „Zum Beispiel verlagert ein großer Sportschuhhersteller aktuell einen Teil seiner Produktion aus China zurück in einen mit 3D-Druckern ausgestatteten Produktionsbetrieb in Deutschland“, so der Doktorand.
Nachhaltige Investitionsentscheidungen
Die Entscheidung für ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept zu treffen, das ökonomische, ökologische und soziale Punkte bei Investitionsentscheidungen betrachtet, kann für Unternehmer ein schwerer Prozess sein. Wie bekommt man die unterschiedlichen Faktoren zusammen und beurteilt sie? Steven und Klünder haben dafür eine aus der Wirtschaftswissenschaft bekannte Analysemethode auf die additive Fertigung, also den 3D-Drucker, angewendet. Sie stellten dafür 17 Bewertungskriterien zusammen. Vom Wasserverbrauch und CO2-Ausstoß des Druckers bis hin zur Recyclingfähigkeit der Produkte können die Kennzahlen unterschiedlicher Druckermodelle verglichen werden und erleichtern so dem Unternehmer die Investitionsentscheidung. Diese kann sich wiederum auf die gesamte Nachhaltigkeit der Firma auswirken.
Wichtig für die Zukunft sei es, so Steven, dass es internationale Systeme für die Bewertung über alle drei Säulen der Nachhaltigkeit gäbe. „Für eine transparente Bewertung werden politische Vorgaben benötigt. So etwas wie eine Währung für Umweltverträglichkeit, die international gilt“, sagt Steven. Sie und Klünder sehen in der Digitalisierung die Chance, dass Unternehmen bei ihrer Produktion noch mehr die ökologischen und sozialen Aspekte in den Blick nehmen.