Geld in Jetons tauschen und die wieder als Geld auszahlen lassen: Kann das die kriminelle Herkunft der finanziellen Mittel verschleiern? © RUB, Kramer

Jura Sauberes Geld aus der Casino-Wäscherei?

Ob der deutsche Glücksspielsektor für kriminelle Machenschaften attraktiv ist, hat ein Bochumer Jurist untersucht – und dafür selbst auch mal auf ein paar Pferde gesetzt.

Spielhallen und Casinos haftet oft der Ruf des Anrüchigen an – egal ob es die wild blinkende Automatenlandschaft ist oder die glamourös daherkommende Glitzerwelt mit Roulette und Black Jack. Sind diese Orte, an denen so viel Geld die Besitzer wechselt, nicht die perfekte Tarnung für kriminelle Energien? So wie Hollywood es gern auch mal in Filmen verkauft?

„Sowohl in den Medien als auch in der juristischen Fachliteratur liest man häufig von Geldwäsche im Glücksspielbereich“, erzählt Johannes Güldner, Doktorand am RUB-Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht. Ob Spielbanken oder Spielhallen, Sport- und Pferdewetten oder Lotterie – es gibt keinen Glücksspielbereich, der nicht mit Geldwäsche in Verbindung gebracht wird. „Bislang ist aber nicht umfassend untersucht, welche Risiken für Geldwäsche in diesen Bereichen tatsächlich bestehen“, sagt der Jurist, der diese Lücke mit seiner Doktorarbeit schließen will.

Al Capone und seine Waschsalons

Er unterscheidet dabei zwei Arten von Geldwäsche, je nachdem ob Spieler oder Betreiber von Glücksspieleinrichtungen die Täter sind. Im ersten Fall missbraucht ein Spieler das Glücksspiel, um illegal erlangtes Geld wieder für den legalen Finanzverkehr nutzbar zu machen. Im zweiten Fall gründet die kriminelle Person einen Spielbetrieb, um Geld zu waschen – ähnlich wie einer von Amerikas berühmt-berüchtigtsten Verbrechern es tat.

„Der Begriff Geldwäsche kommt aus dem Englischen, es ist eine Eins-zu-eins-Übersetzung von Money Laundering“, erklärt Güldner. „Er geht auf Al Capone und seine Kollegen zurück, die eine Waschsalonkette gegründet haben sollen, um kriminell erlangtes Geld zu waschen.“

Für die Doktorarbeit zur Galopprennbahn

Ob die verschiedenen Arten von Glücksspiel in Deutschland einladend für Spieler- oder Betreibergeldwäsche sein könnten, hat Johannes Güldner systematisch untersucht – anhand von Literatur- und Internetrecherchen, durch Vor-Ort-Besichtigungen, Fragebögen für Behördenvertreter und Interviews mit Betroffenen aus der Glücksspielbranche. Seine Ergebnisse verglich er anschließend mit der Situation in Nevada, speziell Las Vegas, und Singapur, die zu den Top Ten der Glücksspielzentren weltweit gehören.

Bis auf Lotterie habe ich alle Formen des Glücksspiels selbst ausprobiert.


Johannes Güldner

„Ich habe mir alle Glücksspielbereiche in Deutschland separat angeschaut, allerdings nur die landgebundenen Formen, nicht die Internetangebote“, so Johannes Güldner. Dazu gehörten auch praktische Erfahrungen. „Bis auf Lotterie habe ich alle Formen des Glücksspiels selbst ausprobiert, um mit den Abläufen vertraut zu werden“, erzählt er. Er setzte auf Pferde auf der Galopprennbahn, versuchte sein Glück am Automaten in der Spielhalle, zog den Anzug an für eine Runde Roulette im Casino und wettete auf den Ausgang von Fußballspielen. „Natürlich habe ich nur kleine Beträge eingesetzt und das mit meinen privaten Mitteln finanziert, nicht mit Forschungsgeldern“, erzählt er. „Am Ende kam ich ungefähr plus/minus null heraus.“

In seiner Doktorarbeit analysiert Jurist Johannes Güldner, welche Glücksspielbetriebe wirklich für Geldwäsche ausgenutzt werden können und welchen nur ein schlechter Ruf anhaftet. © RUB, Kramer

Geld gab es also keins zu gewinnen mit der Doktorarbeit, aber dafür jede Menge Erkenntnisse. Zunächst verglich Johannes Güldner das Geldwäscherisiko in deutschen Spielhallen und Spielbanken, wobei Letztere sich durch ein eleganteres Flair auszeichnen und dadurch, dass es auch klassisches Tischspiel wie Black Jack oder Roulette gibt; in Spielhallen gibt es hingegen nur Automaten.

Anders als in Nevada und in Singapur

Das Risiko für Spielergeldwäsche in Spielbanken schätzt Güldner nach seiner Analyse als gering ein. „Theoretisch denkbar wäre es, dass ein Spieler sein illegal erlangtes Geld in Jetons umtauscht, um eine kleine Summe spielt und die Jetons dann wieder in sauberes Geld zurücktauscht“, erklärt der Jurist. Allerdings, so recherchierte er, erhalten Spielerinnen und Spieler bei der Auszahlung an der Kasse keine Quittung. „Man bekommt in der Regel nur Bargeld und keinen Beleg darüber, dass das Geld aus einer legalen Quelle stammt“, weiß er. Für den Geldwäscher ergibt sich dadurch also kein Vorteil. Auch eine Auszahlung auf ein Konto ist in Deutschland – anders als in Nevada und Singapur – normalerweise nicht möglich.

Egal ob noble Spielbank, Sportwette oder Automatenspiel – alle Bereiche des Glücksspiels werden mit Geldwäsche in Verbindung gebracht. © RUB, Kramer

Ein weiterer Faktor, der das Risiko für Spielergeldwäsche in Deutschland im Vergleich zu Nevada und Singapur senkt, ist, dass die Spielbanken sehr übersichtlich sind. In der Regel bestehen sie aus nur einem großen Raum, den das Personal gut im Blick hat. Am Eingang wird der Ausweis aller Gäste kontrolliert. Die Umsätze in deutschen Spielbanken sind zudem geringer als in Singapur und Las Vegas, wo die Casinos teils Services wie Kreditinstitute anbieten – auch das macht sie für Geldwäscher attraktiver.

Kameras bekommen alles mit

Allerdings bauen die ausländischen Glücksspielzentren auf andere Weise vor: In Singapur, wo es überhaupt erst seit 2010 zwei Casinos gibt, existiert ein umfassendes Regelwerk zur Geldwäscheprävention. In den USA ist das System der Videoüberwachung extrem gut ausgebaut. „Natürlich werden aber auch deutsche Spielbanken per Kamera überwacht“, ergänzt Güldner.

Das Personal sorgt dafür, dass die Kameras auf jede Transaktion einen freien Blick erhalten. „Jetons und Geldscheine dürfen nie direkt von Hand zu Hand gereicht werden, gerade in Nevada wird darauf extrem geachtet“, erzählt der Doktorand. „Bevor das Personal Geld oder Jetons aufnimmt, werden die Scheine und Spielmarken aufgefächert, sodass die Kamera sie alle erfassen kann.“ Theoretisch lasse sich so jede getätigte Transaktion im Nachhinein rekonstruieren.

Spielhallen anfälliger als Spielbanken

Auch gegen Betreibergeldwäsche sind deutsche Spielbanken nach Johannes Güldners Einschätzung weitestgehend immun. Die Hürden, um eine Spielbank zu eröffnen, sind hoch: Das Antragsverfahren ist kompliziert und mit verschiedenen Prüfungen versehen, man braucht ein hohes Startkapital. In einigen deutschen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen gibt es sogar ein staatliches Monopol, die Spielbanken können also nur vom Land betrieben werden. Ihre Anzahl ist generell klein: In Niedersachsen – und das ist der Maximalwert für ein deutsches Bundesland – gibt es gerade einmal zehn von ihnen. „Ich halte es daher für nahezu ausgeschlossen, dass jemand eine Spielbank zum Zweck der Geldwäsche gründet, die Hürden sind einfach zu hoch“, folgert Güldner. „Spielhallen kämen da schon eher in Betracht“.

Spielhallen mit ihren Automatenlandschaften genießen in Deutschland einen besonders schlechten Ruf, was Geldwäsche angeht. © RUB, Kramer

Denn Automatenhallen sind wesentlich zahlreicher, das Antragsverfahren ist nicht so kompliziert und der finanzielle Aufwand überschaubarer. „Hier könnte es sich lohnen, die Antragsverfahren zu überarbeiten, also genauer zu schauen, wo die Gelder für die Gründung herkommen, um Betreibergeldwäsche mithilfe von Spielhallen einen Riegel vorzuschieben“, meint der Bochumer Forscher. Spielergeldwäsche hält er in Spielhallen jedoch für ebenso unwahrscheinlich wie in Spielbanken. Denn auch hier erhalten die Gäste am Ende ihres Besuchs nur Bargeld ohne Beleg zurück.

Geldwäsche bei Sportwetten kaum vermeidbar

Ein Risiko für Spielergeldwäsche sieht Johannes Güldner hauptsächlich im Sportwettenbereich und bei bestimmten Formen der Pferdewette – nämlich dann, wenn auf Festquoten gewettet werden kann. Wer hier Geld einsetzt, erhält darüber eine Quittung. Und mit der sogenannten Arbitrage-Methode ist es möglich, die Mittel so einzusetzen, dass man garantiert 90 Prozent oder mehr davon zurückgewinnt. Das gesamte illegal erlangte Geld wäre gewaschen und der Verlust gering.

Güldner gibt ein Beispiel: „Bei einer Fußballbegegnung kann man auf drei Fälle setzen: Einen Sieg der Heimmannschaft, einen Sieg der Auswärtsmannschaft oder ein Unentschieden“, sagt er. „Man kann jeweils einen Teil seines Geldes bei drei verschiedenen Wettbüros einsetzen und bei jedem auf einen anderen Ausgang tippen.“ Bestimmte mathematische Methoden helfen dabei, das Geld so zu verteilen, dass der potenzielle Verlust möglichst gering ist. Bei zwei Wettbüros würde der Spieler Verlust machen, bei einem aber beträchtlichen Gewinn, sodass er am Ende nahezu die gleiche Summe herausbekommt, die er eingesetzt hat – mit einem Beleg darüber, dass das Geld legal gewonnen wurde.

Mäßiges Risiko

„Die Arbitrage-Methode birgt wohl das größte Risiko für Spielergeldwäsche im Glücksspielbereich“, lautet das Fazit von Johannes Güldner. „Maßnahmen dagegen zu ergreifen ist nahezu unmöglich, denn in der Praxis lässt sich nicht verhindern oder kontrollieren, ob ein Spieler bei mehreren Wettbüros tippt.“ Hinzu kommt, dass der Markt für Sportwetten unübersichtlich ist, weil auch Anbieter mit Firmensitz im EU-Ausland in Deutschland entsprechende Einrichtungen betreiben. Allerdings, so fand Güldner heraus, fallen auch landgebundene Sportwettbüros von EU-ausländischen Anbietern unter das deutsche Geldwäschegesetz. In der Praxis bedeutet das, dass diese Wettbüros verpflichtet sind, Geldwäsche-Verdachtsfälle zu melden.

Oft wäre es wohl leichter, das Geld außerhalb der Glücksspielbranche zu waschen.


Johannes Güldner

Generell bezeichnet Güldner das Risiko, den deutschen Glücksspielbetrieb für Spieler- oder Betreibergeldwäsche zu missbrauchen, aber als mäßig. Es gebe zwar durchaus Möglichkeiten. „Allerdings wäre es oft wohl leichter, das Geld außerhalb der Glücksspielbranche zu waschen“, meint er.

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Veröffentlicht

Freitag
08. Dezember 2017
09:08 Uhr

Von

Julia Weiler

Dieser Artikel ist am 27. April 2018 in Rubin 1/2018 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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