Optogenetik Lichtaktivierbare Proteine verstehen, um sie zu verbessern
Bochumer Forschende haben neue Einblicke in die Mechanismen gewonnen, die den Ionenstrom durch Kanalproteine steuern – und somit ihre Effizienz bestimmen.
Proteine, die sich mit Licht steuern lassen, sind mittlerweile ein viel genutztes Werkzeug in der Forschung, um bestimmte Funktionen in lebenden Organismen gezielt an- und auszuschalten. Für die als Optogenetik bezeichnete Technik werden häufig Kanalrhodopsine verwendet: Diese Proteine öffnen bei Lichteinwirkung eine Pore in der Zellmembran, durch die Ionen einströmen können; so lassen sich Nervenzellen aktivieren. Ein Team vom Zentrum für Proteindiagnostik (PRODI) der RUB entdeckte nun mittels Spektroskopie einen universellen Funktionsmechanismus der Kanalrhodopsine, der über ihre Effizienz als Kanal und somit als optogenetisches Werkzeug entscheidet. Die Forscherinnen und Forscher um Prof. Dr. Klaus Gerwert beschreiben die Ergebnisse in der Zeitschrift Communications Biology vom 14. Mai 2021. Sie gehen davon aus, dass die Erkenntnisse künftig helfen werden, effizientere optogenetische Werkzeuge maßzuschneidern.
Eigenschaften natürlicher Proteine nicht optimal für Optogenetik
„Das Einbringen von lichtempfindlichen Proteinen in Organismen zur gezielten Steuerung bestimmter Funktionen von außen bietet ein enormes Potenzial für die neurowissenschaftliche Forschung und deren therapeutische Anwendung“, sagt Klaus Gerwert. „Leider sind die Eigenschaften dieser natürlicherweise zum Beispiel in Grünalgen vorkommenden Proteine nicht immer optimal für die jeweilige optogenetische Anwendung.“
Molekulare Mechanismen entscheiden über die Effizienz
Klaus Gerwert hatte mit seinem Team kürzlich einen Mechanismus entdeckt, der bei dem optogenetisch viel genutzten Protein Channelrhodopsin 2 dafür verantwortlich ist, dass der Kanal mit der Zeit an Effizienz verliert. Die Gruppe stellte fest, dass Lichteinfall zu zwei verschiedenen Strukturänderungen führen kann: Eine ist die gewünschte Kanalöffnung, die für die Optogenetik nützlich ist. Die zweite liefert nur einen schwachen Ionenstrom, gewinnt aber bei längerer Belichtung die Oberhand und unterdrückt die Kanalöffnung – ein Nachteil für die Optogenetik.
In der aktuellen Arbeit untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mittels zeitaufgelöster Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie und biomolekularen Simulationen ein anderes Kanalrhodopsin, Anion-Channelrhodopsin-1 genannt. „Dieser Kanal weist kaum Effizienzverlust bei längerer Belichtung auf und besitzt auch keinen zweiten parallelen Weg der Strukturveränderung“, berichtet Dr. Max-Aylmer Dreier, Erstautor der Arbeit.
Die Einblicke in die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen der Kanaleffizienz werden wir in Zukunft nutzen, um verbesserte optogenetische Werkzeuge zu entwerfen.
Till Rudack
„Somit ist nachgewiesen, dass die Aufspaltung in zwei parallele Wege zu ineffizienten Kanälen führt. Bei effizienten Kanälen scheint es hingegen keinen zweiten parallelen Weg zu geben“, schlussfolgert Klaus Gerwert. „Die Einblicke in die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen der Kanaleffizienz werden wir in Zukunft nutzen, um durch gezieltes Proteindesign den ineffizienten zweiten Weg zu blockieren und so verbesserte optogenetische Werkzeuge zu entwerfen“, gibt Till Rudack einen Ausblick.