Positive Erlebnisse bleiben besonders in Erinnerung – allerdings nicht immer so, wie sie auch wirklich abgelaufen sind. © Katja Marquard

Neurophilosophie Wie Menschen ihre eigenen Erinnerungen manipulieren

Wenn Leute an ihre eigene Hochzeit zurückdenken, machen sie sie dabei gern noch ein bisschen schöner, als sie eh schon war.

Menschen erinnern sich an vergangene Erlebnisse mithilfe des sogenannten episodischen Gedächtnissystems. Dabei können sie ihre Erinnerungen auf drei Ebenen manipulieren, beschreiben Dr. Roy Dings und Prof. Dr. Albert Newen vom Institut für Philosophie II der RUB in einer theoretischen Arbeit für die Zeitschrift „Review of Philosophy and Psychology“, online veröffentlicht am 13. August 2021. Die Forscher erklären, wie Menschen vergangene Erlebnisse ins Gedächtnis rufen und dabei verändern. „Erinnerungen an wichtige Ereignisse konstruieren wir oft so, wie sie uns in den Kram passen“, folgert Albert Newen.

Erinnerungen sind keine fotografischen Repräsentationen

Erinnerungen an besonders emotionale Erlebnisse wie die eigene Hochzeit bleiben besonders im Gedächtnis, allerdings nicht wie ein fotografischer Ausschnitt. Eine Erinnerung ist vielmehr ein Konstrukt, das zwar von der Wahrnehmung eines zurückliegenden Ereignisses gespeist ist; aber beim Einspeichern und vor allem beim Abruf der wahrgenommenen Situation setzen vielfältige Konstruktionsprozesse ein.

Die Autoren, wie auch alle Mitglieder der in Bochum angesiedelten Forschungsgruppe „Constructing Scenarios of the Past“, gehen davon aus, dass eine Erinnerung dann entsteht, wenn durch einen Reiz eine Gedächtnisspur aktiviert wird: Die Hochzeitseinladungskarte an der Pinnwand aktiviert beispielsweise eine Gedächtnisspur von der Hochzeitstafel. Die Situation wird allerdings – gemäß Bochumer Modell zum episodischen Erinnern – dann noch angereichert durch allgemeines Hintergrundwissen, welches in dem semantischen Gedächtnis verfügbar ist. Mit der Zusammenfügung von Gedächtnisspur und Hintergrundwissen entsteht ein lebhaftes Erinnerungsbild, etwa von der Begrüßung durch die Braut, und schließlich erzählt man, wie man das Ereignis erlebt hat.

Wir formen unsere Erinnerungen also im Prinzip so, dass wir unser positives Selbst schützen.


Albert Newen

Zum Prozess der Szenario-Konstruktion gehören der Reiz, der die Erinnerung auslöst, der eigentliche Verarbeitungsprozess und das Ergebnis, also das Erinnerungsbild und die damit verknüpfte Beschreibung. Alle drei Komponenten können Menschen beeinflussen, was normalerweise automatisch und unbewusst geschieht. Die Quelle des Einflusses ist das narrative Selbstbild: „Wenn wir uns mit Freunden unterhalten, erzählen wir über uns selbst genau das, was uns wichtig ist“, sagt Roy Dings. „Diese Aspekte bezeichnen wir als das narrative Selbstbild.“

„Wir formen unsere Erinnerungen also im Prinzip so, dass wir unser positives Selbst schützen und die Herausforderungen durch negative Erinnerungen, die nicht zu unserem Selbstbild passen, gerne abmildern“, resümiert Albert Newen.

Veröffentlicht

Mittwoch
18. August 2021
09:34 Uhr

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