IT-Sicherheit Satelliten-Sicherheit hinkt Stand der Technik Jahrzehnte hinterher
Forschende haben die Software dreier Satelliten untersucht. Und viele gängige Sicherheitsmechanismen vermisst.
Mittlerweile befinden sich im Orbit um die Erde Tausende von Satelliten, und es werden noch viel mehr werden. Wie es aus IT-Perspektive um die Sicherheit dieser Systeme bestellt ist, haben Forschende der Ruhr-Universität Bochum und vom CISPA Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit in Saarbrücken untersucht. Sie analysierten drei aktuelle Low-Earth-Orbit-Satelliten und stellten fest, dass aus technischer Sicht kaum moderne Sicherheitskonzepte eingesetzt wurden. Diverse Sicherheitsmechanismen, die heute in Handys und Laptops gängig sind, waren nicht zu finden: Beispielsweise gab es keine Trennung von Code und Daten. Interviews mit Entwicklerinnen und Entwicklern von Satelliten ergaben zudem, dass man sich in der Branche vorrangig auf Sicherheit durch Geheimhaltung verlässt.
Die Ergebnisse präsentierte ein Team um den Bochumer Doktoranden Johannes Willbold, den Saarbrücker Forscher Dr. Ali Abbasi und Prof. Dr. Thorsten Holz, früher in Bochum, heute in Saarbrücken, auf dem IEEE Symposium on Security and Privacy, das vom 22. bis 25. Mai 2023 in San Francisco stattfand. Die Arbeit wurde auf der Konferenz mit einem Distinguished Paper Award ausgezeichnet.
Systeme mit speziellen Anforderungen
Bei den untersuchten Satelliten handelte es sich um zwei kleine Modelle und ein mittelgroßes Modell – sowohl ein Forschungssatellit als auch ein Satellit eines kommerziellen Unternehmens –, die in geringer Entfernung die Erde umkreisen und für die Erdbeobachtung eingesetzt werden. Satelliten, die die Erde umkreisen, sind immer nur in einem Zeitfenster von wenigen Minuten für ihre Bodenstation auf der Erde erreichbar. Die Systeme müssen robust gegen die Strahlung im Weltall sein, dürfen nur wenig Energie verbrauchen und haben eine entsprechend geringe Leistung.
Basierend auf den Erkenntnissen einer Software-Analyse erarbeiteten die Forschenden verschiedene Angriffsszenarien. Sie zeigten, dass sie die Satelliten von der Kontrolle durch die Bodenstation abschneiden und selbst die Steuerung der Systeme übernehmen konnten, um beispielsweise Bilder mit der Satellitenkamera zu machen. „Wir waren überrascht, dass das technische Sicherheitsniveau so gering ist“, sagt Thorsten Holz, schränkt aber gleichzeitig die möglichen Konsequenzen ein: „Es wäre nicht so leicht, den Satelliten an einen anderen Ort zu steuern, beispielsweise zum Absturz zu bringen oder mit anderen Objekten kollidieren zu lassen.“
Umfrage unter Entwicklerinnen und Entwicklern
Um herauszufinden, welches Sicherheitsverständnis bei den Personen herrscht, die Satelliten entwickeln und bauen, konzipierte das Forschungsteam einen Fragebogen und schickte ihn an verschiedene Einrichtungen. 19 Personen beteiligten sich anonym an der Befragung.
„Die Ergebnisse zeigen uns, dass das Sicherheitsverständnis in der Branche ein anderes ist als in vielen anderen Bereichen, nämlich Security by Obscurity“, fasst Johannes Willbold zusammen. Viele der Befragten gingen also davon aus, dass Satelliten nicht angegriffen werden könnten, weil es keine Dokumentation der Systeme gibt, also nichts über sie bekannt ist. Nur wenige gaben an, Daten bei der Kommunikation mit den Satelliten zu verschlüsseln oder eine Authentifizierung zu nutzen, sodass sichergestellt wäre, dass nur die Bodenstation mit dem Satelliten kommunizieren darf.