Nur 30 bis 90 Sekunden dauert die Aufnahme der Bilder für die Ultraschall-Lokalisations-Mikroskopie. © Roberto Schirdewahn

Medizintechnik Bläschen im Ultraschall eröffnen den Blick auf winzige Gefäße

Auf Knopfdruck verbessert sich die Auflösung von Ultraschallbildern um das Fünffache. Möglich machen das im Blutstrom flitzende Bläschen und ein ausgefuchster Algorithmus.

Grau-weißes Geriesel – mehr ist für die meisten Laien in einem Ultraschallbild häufig nicht zu erkennen. Geübte Augen von Ärztinnen und Ärzten sehen mehr. Sie könnten vielleicht erkennen, dass es sich bei dem Ultraschallbild, das Prof. Dr. Georg Schmitz zeigt, um die Niere einer Maus handelt. Doch mehr als die grobe Struktur offenbart das Bild auch ihnen nicht. Dafür ist die Auflösung zu niedrig. Aber Georg Schmitz hat da ein Ass im Ärmel: Plötzlich strömen weiße Punkte in das Bild und finden ihren Weg durch die Nierenstruktur. Wenige Momente später zeichnet sich eine scharfe Darstellung des Gefäßsystems der Niere ab, farbig und plastisch zu erkennen.

Schmitz und sein Team vom Lehrstuhl Medizintechnik der Ruhr-Universität Bochum arbeiten seit über zehn Jahren an dieser Technik, der sogenannten Ultraschall-Lokalisations-Mikroskopie, kurz ULM. 2011 kam ihnen die zündende Idee, für die hochauflösende Darstellung von Gefäßen im Ultraschall ein Kontrastmittel einzusetzen, das aus Mikrobläschen besteht. Die gasgefüllten Bläschen des Kontrastmittels, das etwa seit dem Jahr 2000 im klinischen Einsatz ist, sind nur rund einen Mikrometer klein und mit Phospholipiden ummantelt. In die Vene verabreicht, verteilen sie sich mit dem Blutstrom bis in die kleinsten Gefäße hinein, und sie reflektieren Ultraschallwellen so gut, dass sie im Bild weiß aufleuchten. „Das Kontrastmittel hält sich nur etwa zehn Minuten lang im Körper, dann werden die Bläschen abgebaut, und das Gas wird über die Lunge abgeatmet“, erklärt Georg Schmitz. Die Aufnahme der Bilder dauert nur 30 bis 90 Sekunden.

Die Mitte jedes Bläschens markieren

Um die Auflösung des Ultraschallbildes so beeindruckend zu vergrößern wie im Bild der Mausniere, sind allerdings mehrere Zwischenschritte notwendig. Der erste ist auch gleich einer der herausforderndsten: Die Eigenbewegung des Patienten oder der Patientin muss herausgerechnet werden. Herzschlag und Atmung sorgen dafür, dass die untersuchten Organe pulsieren, und zwar in alle Richtungen. Würde man diese Bewegung nicht berücksichtigen, würde sie das Gefäßbild verfälschen. Besonders schwierig ist das für Bewegungen in der dritten Richtung, die senkrecht zur Bildebene liegt. „Hier sind wir dabei, unseren Algorithmus noch zu optimieren“, so Georg Schmitz.

Im nächsten Schritt rechnet der von den Forschenden an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik entwickelte Algorithmus den Bildhintergrund aus den Aufnahmen heraus, sodass nur die Bläschen dargestellt werden. Sie sind mit dem Blut in Bewegung, nähern sich einander an und überlagern sich. Ihr Bild allein ergibt deswegen noch keinen Mehrwert für die Darstellung von kleinsten Blutgefäßen. Der nächste Schritt ist daher die Markierung der Mitte jedes einzelnen Bläschens. „Das ist ein relativ einfacher Vorgang, für den man zum Beispiel die Helligkeit auswertet und die Form des Bläschens heranziehen kann“, berichtet Georg Schmitz, dessen Team mit diesem Verfahren auf Tagungen bereits Preise abgeräumt hat.

Wo ist das Bläschen entlanggeströmt?

Schwieriger ist wieder der folgende Schritt: die Bewegung der einzelnen Bläschen aus der Abfolge von Bildern zu rekonstruieren. „Wir haben bei in der klinischen Nutzung befindlichen Ultraschallgeräten eine Bildwiederholrate von etwa 10 bis 50 Hertz“, so Schmitz. „Das heißt, pro Sekunde nimmt das Gerät zwischen 10 und 50 einzelne Bilder auf.“ Auf jedem dieser Bilder sind die in Bewegung befindlichen Bläschen an verschiedenen Orten. Die Herausforderung liegt darin, zu berechnen, welches Bläschen welchen Weg zurückgelegt hat – also herauszufinden, wo ein- und dasselbe Bläschen in einem Bild und im nächsten genau ist. „Unser Algorithmus betrachtet dafür immer eine Gruppe benachbarter Bilder und entscheidet nach der größten Wahrscheinlichkeit, welchen Weg ein Bläschen zurückgelegt hat“, erklärt Georg Schmitz. „Man erreicht damit in einer zumutbaren Rechenzeit nie eine hundertprozentige Genauigkeit – aber das muss auch nicht sein.“

Georg Schmitz arbeitet in enger Verbindung mit Partnern aus der klinischen Praxis zusammen. „Es kommt mir darauf an, dass die Ergebnisse der Forschung auch Sinn ergeben für die klinische Nutzung“, betont er. © Roberto Schirdewahn

Was schließlich nach wenigen Minuten bei der gesamten Berechnung herauskommt, ist ein Bild des Systems kleiner Gefäße, durch die sich die Bläschen hindurchbewegt haben. Man kann daraus sogar ablesen, in welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit die Bläschen hindurchgeströmt sind.

Therapieerfolg messen oder vorhersagen

„Die Richtung der Bewegung und die Gestalt der durchströmten kleinen Gefäße sind Informationen, die Ärztinnen und Ärzte ganz genau wissen wollen“, weiß Georg Schmitz aus der Zusammenarbeit mit klinischen Partnern in mehreren Projekten. „Denn daraus können sie Schlüsse ziehen, welche Charakteristika beispielsweise ein Tumor hat: Von wo aus wird er versorgt? Wie sehen die versorgenden Blutgefäße aus?“ Solche Informationen können Aufschluss darüber geben, wie aggressiv die Erkrankung ist und möglicherweise auch, welche Therapie funktionieren wird oder auch nicht. Wertvoll ist die Betrachtung der kleinsten Gefäße auch, um die Wirkung einer Chemotherapie zu überwachen. „Chemotherapeutika richten sich oft gegen Gefäße“, erklärt Schmitz. „Im Verlauf der Behandlung kann man mittels Ultraschall-Lokalisations-Mikroskopie häufig beobachten, dass zunächst mehr Gefäße sichtbar werden als zuvor, vermutlich weil durch die Therapie der Druck im Tumor sinkt und sich Gefäße öffnen. Im weiteren Verlauf einer erfolgreichen Therapie kann man dann beobachten, wie die versorgenden Gefäße nach und nach verschwinden.“

Ultraschallwellen können bis zu 20 Zentimeter tief unter die Haut eindringen. © Roberto Schirdewahn

Die Ultraschall-Lokalisations-Mikroskopie ist zurzeit die einzige bildgebende Methode, die solche feinen Blutgefäße sichtbar machen kann. „Die Computertomografie zeigt nur durch Einsatz toxischer Kontrastmittel überhaupt Gefäße, aber wie auch bei der Magnetresonanztomografie ist die Auflösung viel geringer“, so Schmitz. Die Herausforderung bei der Nutzung der ULM liegt darin, dass man den Schallkopf freihändig bedient und die Orientierung deswegen schwieriger ist als beim MRT, das immer einen kompletten Querschnitt des Körperteils abbildet.

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Die Qualität der Bilder ist so gut, dass verschiedene Medizingerätehersteller Interesse angemeldet haben. Ideen für weitere Nutzungsmöglichkeiten gibt es ohnehin viele: ULM ermöglicht es beispielsweise, genau zu untersuchen, ob sich Metastasen in Lymphknoten gebildet haben, da sich dabei das Gefäßsystem anpasst. Die bisherige Diagnostik liegt dabei in bis zu 30 Prozent der Fälle falsch. ULM könnte es auch möglich machen, die Nierenfunktion nicht-invasiv zu beobachten, um etwa herauszufinden, ob eine akute Nierenerkrankung chronisch zu werden droht oder nicht. „Die entsprechenden Vorgänge laufen in winzig kleinen Gefäßiknäuel von etwa 200 Mikrometern Durchmesser ab, die man bisher einfach nicht darstellen konnte“, erklärt Georg Schmitz. ULM ist auf dem besten Wege, das zu leisten.

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Veröffentlicht

Mittwoch
29. Mai 2024
11:11 Uhr

Dieser Artikel ist am 3. Juni 2024 in Rubin 1/2024 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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