Bodenkunde Der Schatz im Acker
Wie fruchtbar sind die Acker- und Grünflächen Nordrhein-Westfalens? Forschende der Ruhr-Universität bestimmen und modellieren ihre organischen Kohlenstoffvorräte und treffen so Voraussagen für die Zukunft.
Smog riecht, flirrende Hitze spürt man, verdorrte Landschaften, Starkregen und Müllteppiche sieht man. Doch wenn es dem Boden unter unseren Füßen schlecht geht, bleibt das unseren Sinnen verborgen. Dabei sind die Böden für unser (Über-)Leben so wichtig wie Wasser und Luft. Ein gesunder, fruchtbarer Acker zeichnet sich vor allem durch viel organischen Kohlenstoff aus. Wie viel davon in den Flächen Nordrhein-Westfalens vorrätig ist, bestimmen Forschende des Geographischen Instituts der Ruhr-Universität Bochum in Zusammenarbeit mit dem Geologischen Dienst NRW und dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV).
Humusmonitoring in NRW
„Das Humusmonitoring-Programm läuft schon seit fast 15 Jahren. Aus den gesammelten Daten generieren wir aktuell ein Modell, welches uns den organischen Kohlenstoffgehalt für Gesamt-NRW vorhersagt“, so Dr. Michael Herre, der an der Ruhr-Universität das Projekt unterstützt. Mit dem Modell möchte man langfristig Veränderungen, die durch die landwirtschaftliche Nutzung entstehen, verfolgen und Voraussagen für die künftige Beschaffenheit der Flächen treffen können.
Wir wollen den Ist-Zustand modellieren, um Aussagen zum Könnte-Zustand zu treffen.
„Wenn man aktiv Landwirtschaft betreibt, dann entzieht man dem Boden potenziell auch Kohlenstoff“, erklärt Michael Herre. „Bei der Ernte nimmt man häufig die Ernterückstände vom Feld, und der Boden verliert dort an organischen Stoffen, an Humus. Der Verlust wird dann in der Regel durch Dünger, etwa durch Gülle, kompensiert.“ Wie steht es genau um den Kohlenstoffvorrat nach der Ernte? Wie viel oder wie wenig Gülle braucht es? Das will man für Nordrhein-Westfalens Äcker ganz konkret erfassen. „Wir wollen den Ist-Zustand modellieren, um Aussagen zum Könnte-Zustand treffen zu können“, fasst Herre zusammen.
Bodentypen, Klimadaten, geologische Karten
Für das Modell berücksichtigt der Geograf eine Reihe von Faktoren: Wie sieht etwa das geologische Ausgangsgestein in einer bestimmen Region aus? Welche klimatischen Einflüsse müssen mitbedacht werden? Welche Bodentypen gibt es in der Region? Ist der Boden zum Beispiel eher sandig oder enthält er viel Ton? Dafür verschneidet Herre bestehendes Kartenmaterial – Klimadaten, Bodenkarten und geologische Karten – und lässt diese in das Modell mit einfließen. Vor allem aber ist er auf Bodenproben angewiesen.
2.000 Bodenproben auswerten
Von der rheinischen Bucht bis ins Sauerland: An über 2.000 Messpunkten werden regelmäßig Proben aus dem sogenannten Oberboden entnommen. Ganz konkret wird dazu mit einem Bohrstock etwa 30 Zentimeter tief ins Erdreich gebohrt. Anschließend werden diese Proben im Labor dann auf ihre Nährstoffe, etwa den Stickstoff- und Kohlenstoffgehalt, den pH-Wert, den Wassergehalt, den Humusgehalt sowie Sand-, Schluff- und Tongehalt untersucht.
Erste Schlüsse möglich
Die Auswertung und die Übertragung der Punktdaten in das mathematische Flächenmodell sind noch nicht abgeschlossen. Erste Schlüsse sind aber möglich. „Wir können deutlich erkennen, in welchen Regionen NRWs Flächen liegen, die gesättigt sind, also wo der Boden reich an organischem Kohlenstoff ist. Die Nutzung ließe sich hier dementsprechend anpassen“, so Herre. Das sei zum Beispiel in Teilen des Sauerlands und der Niederrheinischen Bucht der Fall.
Wir haben Bereiche identifiziert, wo man bis zu 100 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar aufbauen könnte.
„Wir haben aber auch schon Bereiche identifiziert, wo man durch mehr Humus bis zu 100 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar aufbauen könnte“, erklärt Herre. Hier könnte es sich um Ackerflächen handeln, auf denen ausschließlich und über mehrere Jahre hintereinander nur eine Nutzpflanzenart angebaut wurde. „Das Modell offenbart dieses Verbesserungspotenzial“, schließt Herre.
Potenziale erkennen
Potenziale erkennen und nutzen – dazu soll das Humusmonitoring-Programm langfristig beitragen. Anhand des komplexen Modells möchte man künftig Landwirte gezielt beraten: Wäre eine andere Art der Bewirtschaftung besser für meinen Acker? Sollte mein Betrieb nach der Ernte mehr oder weniger Gülle einarbeiten?
Die Vitalität des Bodens ist überlebenswichtig.
Land, Kommunen und Betriebe sind bereits jetzt sehr interessiert an den Forschungsergebnissen. Den Wissenschaftler freut, dass sein Forschungsgebiet so auch insgesamt mehr ins öffentliche Bewusstsein rückt. „Mehr und mehr Menschen begreifen, dass die Vitalität des Bodens – Feuchtigkeit, Temperatur, die Nährstoffe – überlebenswichtig für Mikroorganismen, das Pflanzenwachstum und schlussendlich uns Menschen sind.“
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