
Silvia Schneider, Leiterin des Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit der Ruhr-Universität, gehört zu den Autorinnen und Autoren des Papers.
Altersgrenzen für Social Media
Leopoldina empfiehlt besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen
Das Diskussionspapier der Wissenschaftsakademie hat die Bochumer Psychologin Silvia Schneider mitverfasst.
Die Nutzung sozialer Medien ist für einen Großteil der Kinder und Jugendlichen in Deutschland längst alltäglich. Viele von ihnen zeigen dabei ein riskantes, manche sogar ein suchtartiges Nutzungsverhalten. Zwar kann die Nutzung sozialer Medien positive Effekte für Heranwachsende haben – bei intensiver Nutzung können jedoch negative Auswirkungen auf das psychische, emotionale und soziale Wohlbefinden auftreten, wie Depressions- und Angstsymptome, Aufmerksamkeits- oder Schlafprobleme.
In einem am 13. August 2025 veröffentlichten Diskussionspapier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina schlagen die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deshalb die Anwendung des Vorsorgeprinzips vor. In dem Papier „Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ geben sie Handlungsempfehlungen, um Kinder und Jugendliche vor negativen Folgen sozialer Medien zu schützen, beispielsweise durch altersabhängige Zugangs- und Funktionsbeschränkungen. Zu den Beteiligten gehört Prof. Dr. Silvia Schneider, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Direktorin des Forschungs- und Behandlungszentrums für psychische Gesundheit der Ruhr-Universität.
Zusammenhang zwischen Nutzung sozialer Medien und psychischer Belastung
Das Diskussionspapier gibt einen Einblick in die aktuelle Studienlage zum Einfluss sozialer Medien auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Der Großteil der verfügbaren Evidenz ist korrelativer und nicht kausaler Natur: Querschnittstudien belegen einen statistischen Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien und einer zunehmenden psychischen Belastung. Einige Längsschnittstudien über längere Zeiträume hinweg liefern zudem Hinweise darauf, dass die intensive Nutzung sozialer Medien ursächlich für diese Belastungen sein kann. Die Autorinnen und Autoren sprechen sich deshalb für die Anwendung des Vorsorgeprinzips aus: Es besagt, dass vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden sollten, wenn es Hinweise auf mögliche schädliche Auswirkungen gibt, auch wenn wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt ist, wie groß das Risiko tatsächlich ist.
Laut der Forschenden besteht politischer Handlungsbedarf zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, da die möglichen Gefährdungen durch eine intensive Social-Media-Nutzung erheblich sind. Die Forschenden formulieren im Diskussionspapier konkrete Handlungsempfehlungen, um Kinder und Jugendliche vor den Gefahren sozialer Medien zu schützen und sie gleichzeitig zu einem reflektierten und kompetenten Umgang mit ihnen zu befähigen. Sie sprechen sich dafür aus, dass Kinder unter 13 Jahren keine Social-Media-Accounts einrichten dürfen. Für 13- bis 15-jährige Jugendliche sollten soziale Medien nur nach gesetzlich vorgeschriebener elterlicher Zustimmung nutzbar sein. Für 13- bis 17-Jährige sollen soziale Netzwerke zudem altersgerecht gestaltet werden – beispielsweise bei den algorithmischen Vorschlägen, durch ein Verbot von personalisierter Werbung oder durch die Unterbindung besonders suchterzeugender Funktionen wie Push-Nachrichten und endloses Scrollen. Die Forschenden empfehlen außerdem, die Nutzung von Smartphones in Kitas und Schulen bis einschließlich Klasse 10 nicht zuzulassen.
Vielversprechende Ansätze
Das Diskussionspapier erläutert auch die mögliche Umsetzung der Altersgrenzen und altersgerechten Einschränkungen auf Social Media. Hier sehen die Autorinnen und Autoren vor allem auf EU-Ebene Möglichkeiten der Regulierung. Die deutsche Bundesregierung sollte sich dort für entsprechende gesetzliche Regelungen einsetzen. Ein vielversprechender Ansatz ist bereits die geplante Einführung der „EUDI-Wallet“, die einen datenschutzkonformen digitalen Altersnachweis ermöglichen soll. Um einen reflektierten Umgang mit sozialen Medien zu fördern, schlagen die Autoren vor, einen digitalen Bildungskanon in Kitas und Schulen zu verankern, der Kinder und Jugendliche auf Themen des digitalen Lebens vorbereitet. Die Kompetenzen von Lehr- und Erziehungsfachkräften sollten gestärkt werden, um riskantes oder suchtartiges Nutzungsverhalten frühzeitig erkennen und adressieren zu können. Niedrigschwellige Public-Health-Kampagnen sollten Familien zudem über die Einflüsse sozialer Medien auf die psychische Gesundheit sowie über die Möglichkeiten einer positiven Gestaltung der Social-Media-Nutzung informieren. Darüber hinaus bedarf es weiterer Forschung, um die Wirkmechanismen der Nutzung sozialer Medien in dieser Altersgruppe besser zu verstehen und die Effektivität der Schutzmaßnahmen zu evaluieren.
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