Mit Harlekin im Rücken und neuem Buch in den Händen: Guido Hiß an seinem Schreibtisch © RUB, Marquard

Interview Ein Buch über Komödien

Guido Hiß erzählt unter anderem, warum er für jede Epoche ein Lieblingsstück hat.

Der Theaterwissenschaftler Prof. Dr. Guido Hiß hat ein Fachbuch über Komödien verfasst. Darin nimmt er 20 Werke von der Antike bis zum 18. Jahrhundert unter die Lupe. Im Interview erklärt er nicht nur die Idee hinter dem Buch, er verrät auch seine Lieblingsstücke.

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben?
Das war bei einer Serie forschender Masterseminare zur Geschichte und Theorie der Komödie. Wir wollten neu hinzukommenden Studierenden ermöglichen, sich schnell in den Forschungsstand einarbeiten zu können. Aus der Dokumentation des Seminars entwickelte sich das Buch.

Richtet es sich auch an Laien, die sich über Theaterstücke informieren möchten?
Da es um besondere Fragen komischer Dramaturgie geht, um die Technik des szenisch Komischen, ist das Buch als allgemeine Einführung in die behandelten Stücke weniger geeignet.

Zum Inhalt

Die Forschung zu Theater und Drama richtet sich traditionell auf das Tragische, obwohl die Komödie gleichberechtigt zur Grundausstattung des antiken Theaters gehörte. Doch die Antike überliefert keine Theorie des Komischen, die auch nur annähernd mit der Qualität der aristotelischen Erfassung des Tragischen mithalten könnte.

Das vorliegende Buch schafft hier zum Teil Abhilfe. Es befasst sich mit 20 historischen Komödien von Aristophanes bis Lenz. Guido Hiß skizziert die griechischen und römischen Anfänge und verfolgt den Weg der antiken Inspiration in der italienischen Renaissance, bei Shakespeare und Molière. Er beleuchtet die bürgerliche Neuorientierung der komischen Bühne im Zeichen der Vertreibung des Harlekins.

Ein besonderer Akzent liegt auf den körperlich intensiven Stegreifspielen vom römischen Mimus über die Commedia dell’arte bis zu den Harlekinaden des 17. und 18. Jahrhunderts.

Warum hört das Buch im 18. Jahrhundert auf? Gab es danach keine guten Komödien mehr?
Band zwei ist bereits in Arbeit, und das Seminar forscht kontinuierlich weiter – bis in die Gegenwart.

Welche ist für Sie sozusagen die Mutter aller Komödien?
„Die Vögel“ von Aristophanes.

Ist das zugleich Ihre Lieblingskomödie?
Nein.

Welche sonst?
Das wechselt von Semester zu Semester. Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, die wir gerade bereisen, ist es „Leonce und Lena“ von Büchner, dicht gefolgt von Kleists „Amphitryon“ und Grabbes „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“.

Im Harlekin kommt die Dimension der Körperkomik exemplarisch und virtuos zum Ausdruck.

Eine Ihrer Lieblingsfiguren scheint der Harlekin zu sein. Können Sie kurz erläutern, warum?
Im Harlekin, der aus der Commedia dell’arte hervorging, kommt die Dimension der Körperkomik exemplarisch und virtuos zum Ausdruck. Der Harlekin war eine freche, anarchische und volkstümliche Figur, die auch politisch kein Blatt vor den Mund nahm. Seine Vertreibung durch die bürgerlichen Theaterreformer im 18. Jahrhundert war eines der wichtigsten und schlimmsten Ereignisse der deutschen Theatergeschichte, geradezu ein Kulturkampf.

Mit der Vertreibung sind zwei Dinge verbunden: der Siegeszug des dramatischen, textfixierten Theaters und der Versuch der Beseitigung burlesker und grotesker Dimensionen des Lachens. Doch gegen Ende des 18. Jahrhunderts haben Autoren wie Lessing, Goethe, Lenz und Beaumarchais den Harlekin wieder engagiert, zumindest in ihren Stücken. Auch die Frage, wo er sich heute herumtreibt, ist sehr interessant. Wir haben ihn beispielsweise bei Monty Python entdeckt.

Guido Hiß empfiehlt „Penthesilea“

Alle Studierenden besitzen ja eine Flatrate für das Bochumer Schauspielhaus. Können Sie ihnen ein aktuelles Stück empfehlen?
Kleists „Penthesilea“. In der Inszenierung von Johann Simons.

Originalveröffentlichung

Guido Hiß: Das verlorene Buch. Geschichte und Theorie gespielter Komik von den Anfängen bis ins 18. Jahrhundert. Scripta scenica. Bochumer Beiträge zur Theaterforschung, herausgegeben von Jörn Etzold und Guido Hiß, Band 2. Athena-Verlag, Oberhausen 2019, ISBN 9783745510546.

Veröffentlicht

Mittwoch
30. Januar 2019
13:31 Uhr

Von

Arne Dessaul

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