Michael Cronrath klettert und wandert selbst leidenschaftlich gerne in den Bergen. © Finn Sammerl

Mount-Everest-Besteigung Der höchste Berg als Statussymbol

Als Edmund Hillary 1953 den Mount Everest bestieg, hatte er zwar etliche Gefahren überstanden und sein Leben riskiert, aber wenigstens musste er nicht stundenlang in der Schlange stehen.

Auf dem Mount Everest drängeln sich in den engen Zeitfenstern im April und Mai, in denen ein Aufstieg des höchsten Bergs der Welt wetterbedingt möglich ist, Hunderte von Abenteuerlustigen in lebensfeindlicher Höhe. 2019 starben dabei zehn Männer und Frauen.

Was die Menschen antreibt, die mehr als 50.000 Euro in die Hand nehmen und ihr Leben riskieren, erklärt Michael Cronrath. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Fachleiter für Klettern und Bergwandern an der Fakultät für Sportwissenschaft der RUB.

Aus dem Expeditionsbergsteigen am Everest ist ein Tourismus geworden.

Herr Cronrath, als Edmund Hillary und sein Sherpa Tensing Norgay vor 66 Jahren den Mount Everest bestiegen, war das eine Weltsensation. Ist es seitdem so viel einfacher geworden, oder warum schaffen es heutzutage jedes Jahr Hunderte Touristen?
Wie Sie bereits sagen, ist aus dem Expeditionsbergsteigen am Everest ein Tourismus geworden. Die Route wird durchgängig von Sherpas und Bergführern mit Fixseilen präpariert. Jeder Gast, wie man im Bergführerjargon sagt, hat am Tag der Besteigung mindestens einen Träger dabei, der ihm oder ihr den Ersatzsauerstoff trägt. Außerdem ist die Ausrüstung viel leichter geworden. Ed Hillary und Tensing Norgay mussten damals rund 20 Kilogramm allein für den Sauerstoff buckeln! Das ist heute gar kein Vergleich mehr.

Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass das Team 1953 ein übermäßiges Risiko eingegangen ist. Hillary war super vorbereitet und hat die Sauerstoffversorgung für Tensing und sich stets akribisch kontrolliert. Das ganze Team war verhältnismäßig gut organisiert, und alle sind immer noch rechtzeitig abgestiegen. Einige Expeditionsteilnehmer haben dafür auf den Gipfel verzichtet. Aber so haben eben auch alle überlebt. Das ist ja heute noch das Problem, dass die Leute zu lange in der extremen Höhe sind und einfach nicht rechtzeitig umdrehen.

Termin

Wer mehr über Edmund Hillary und seine Besteigung des Mount Everest erfahren möchte, kann dies am 1. Juli 2019 um 18 Uhr im Blue Square tun. Dort hält Michael Cronrath einen Vortrag über den Neuseeländer. Der Eintritt ist kostenlos, eine Anmeldung nicht erforderlich.

Was treibt die Menschen an, die diese Gefahr auf sich nehmen?
Einmal auf dem höchsten Berg der Welt gestanden zu haben, ist für viele heute sicher ein Statussymbol. Mit Geld oder einer beruflichen Karriere zu trumpfen, reicht nicht mehr aus. Da muss dann noch eine sportliche Biografie der Superlative dazu. Da ist sicher viel Ego im Spiel. Darauf deuten ja auch einige Geschichten hin, die man aus der Todeszone so hört. Das trifft sicher nicht auf alle Besteiger zu, aber ich glaube, es sind schon viele.

Für die Teilnehmer der Expedition von 1953 war es einfach noch ein riesiges Abenteuer. Da gab es noch echtes Neuland zu entdecken und Erfahrungen zu sammeln, die noch keiner vorher gemacht hat. Klar war da auch Ruhm und Ehre im Spiel. Aber dieser besondere Teamgeist und die Abenteuerlust, die sich noch heute in der Geschichte der Erstbesteiger wiederspiegeln, sind schon faszinierend.

Wer als Bergsteiger heute noch den Entdeckergeist in sich verspürt, nimmt irgendeinen namenlosen 6.000er im Himalaya auf einer unbekannten Route und ohne künstlichen Sauerstoff ins Visier oder verkrümelt sich gleich irgendwohin nach Patagonien ans Ende der Welt.

Der Massentourismus hat die Natur stark verändert.

Der Berg leidet unter diesem Massen-Abenteuer-Tourismus. Die Leute lassen Tonnen von Abfall und Dreck dort liegen. Ein typisches Problem des Mount Everest oder sehen Sie das auch in anderen Bergsteigerregionen?
Am Everest treibt sich diese Entwicklung sicher extrem auf die Spitze. Aber das Problem gibt es überall, wo viele Menschen in die Berge strömen. Schauen Sie sich zum Beispiel die Alpen an. Da liegen zwar keine Müllberge von leeren Sauerstoffflaschen herum, aber der Massentourismus hat die Natur stark verändert.

Veröffentlicht

Dienstag
25. Juni 2019
09:41 Uhr

Von

Raffaela Römer

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