Die Arbeit mit Studierenden macht ihm Spaß, aber auch an seine Zeit als Trainer denkt er gern zurück: Jörn Uhrmeister
© RUB, Kramer

Interview „Die Liebe zum Handball war zuerst da“

Eine Anstellung als Lehrkraft in der Sportfakultät zu bekommen war für Jörn Uhrmeister gar nicht so einfach. Dafür flog ihm ein Trainerposten in der ersten Damen-Bundesliga zu.

Handball – darum dreht sich bei Jörn Uhrmeister inzwischen hauptsächlich die Arbeit, nicht nur die Freizeit. 2017 feiert die Sportart ihren 100. Geburtstag. Das haben wir zum Anlass genommen, um uns mit dem RUB-Mitarbeiter und ehemaligen Trainer zu unterhalten.

Herr Uhrmeister, was war zuerst da: Ihre Liebe zum Handball, das Angebot, Trainer zu werden, oder der Wunsch, in der Sportwissenschaft zu forschen?
Bei mir war zuerst die Liebe zum Handball da. Das finde ich nur typisch. Während des Sportleistungskurses am Gymnasium habe ich gemerkt, dass mich Sport auch theoretisch interessiert. Also habe ich Sportwissenschaft studiert. Ungewöhnlich war, dass ich mit 28 Jahren das Angebot bekam, Co-Trainer in der ersten Damen-Bundesliga zu werden, obwohl ich vorher noch nie als Trainer gearbeitet hatte.

Antrieb dafür war die Neugierde für die Sportart Handball.

Wie kam es dazu, dass Sie im Bereich Handball forschen?
Nach Abschluss meines Studiums hat es neun Jahre gedauert, bis ich eine Anstellung als Lehrkraft in der Sportwissenschaft bekommen habe. Im Rahmen dieser Tätigkeit muss ich Ideen für Bachelor- oder Masterarbeiten entwickeln. Antrieb dafür war letztlich das persönliche Interesse und die Neugierde für die Sportart Handball.

Die Ideen kommen also beim Handball schauen?
Manchmal stehen Studierende in meinem Büro und haben eine Forschungsfrage entwickelt. Meistens überdenke ich aber das, was ich über Handball lese, und hinterfrage es, teilweise kritisch. So hat sich eine Themenliste entwickelt. Mein Steckenpferd ist eigentlich der Schulhandball. Aber vergangene Saison haben wir zum Beispiel auch in mehreren Abschlussarbeiten analysiert, ob die deutschen Handball-Nationalspieler im Vergleich zu anderen europäischen Spitzenclubs eine stärkere Belastung haben – wie man oft hört.

Und?
Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht. Spieler in deutschen Spitzenvereinen absolvieren mehr Spiele pro Saison als Spieler anderer europäischer Spitzenvereine. Aber die Spieldichte ist in anderen Ligen manchmal höher: Der polnische Meister Kielce musste zum Beispiel 2015/16 durchschnittlich alle 4,23 Tage spielen. Der deutsche Meister Kiel nur alle 4,61 Tage. Allerdings gibt es keine Daten, wie viel Spielzeit die einzelnen Spieler auf dem Feld verbracht haben.

Eine lang anhaltende emotionale Diskussion ist nicht gerechtfertigt.

Die Diskussion um die Belastung der Spieler in den deutschen Spitzenclubs hat sich in den vergangenen zehn Jahren aber nicht so verändert, dass eine lang anhaltende emotionale Diskussion gerechtfertigt wäre, wie sie seit einer Weile geführt wird.

Welches Ergebnis hat Sie bislang am meisten überrascht?
In der Hinrunde der Saison 2016/17 haben wir untersucht, wie sich eine Regeländerung der International Handball Federation auswirkt. Seither darf man den Torwart gegen einen siebten Feldspieler austauschen, der nicht mehr, wie früher, mit einem Leibchen gekennzeichnet sein muss. Er darf dann keine Torwartaufgaben übernehmen, sondern agiert als ganz normaler Feldspieler. Das hat das Spiel der Torhüter massiv verändert. Wir haben ausgerechnet, dass die Torhüter aller Erstligaclubs zusammengenommen 80 Kilometer mehr gelaufen sind als im Spieljahr zuvor.

Sie haben früher selbst als Torwart gespielt.
Ja, bis ich 28 war. Allerdings mit mäßigem Erfolg, nie höher als Verbandsliga, was die fünfthöchste Spielklasse bedeutet. Mit meinen 1,80 Metern bin ich allerdings auch nicht unbedingt für diese Sportart prädestiniert.

Mit 28 Jahren sind Sie dann vom Spielfeld auf die Trainerbank gewechselt. Welches Erlebnis ist Ihnen am meisten im Gedächtnis geblieben?
Heute ist das Trainer-Dasein in den Hintergrund getreten. Ich erinnere mich aber gerne zurück, als ich Trainer in der dritten Liga bei VfL Eintracht Hagen war. 2006 sind wir gegen den damaligen Bundesligisten aus Düsseldorf im DHB-Pokal angetreten. Das Drumherum war schon besonders. Standesgemäß hat meine Mannschaft dieses Spiel allerdings verloren.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch den Gewinn der deutschen Hochschulmeisterschaft mit der Wettkampfgemeinschaft Bochum in diesem Juni.

Die Gelder zwischen Handball und Fußball sind dramatisch ungleich verteilt.

Wie kommt es eigentlich, dass so viele erfolgreiche Handballteams eher aus kleineren Orten kommen, aber nicht unbedingt aus den Metropolen Deutschlands?
Ich denke, dass der Handball dort seine Nische abseits des Fußballs gefunden hat. Immer wieder sind Handballteams von einzelnen Gönnern abhängig oder werden vom Mittelstand unterstützt, der sich in ländlichen Gebieten niedergelassen hat.

Wie dramatisch ungleich verteilt die Gelder zwischen Handball und Fußball sind, wurde beim Wechsel von Fußballstar Neymar vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain deutlich: 222 Millionen Euro sind geflossen. Der Geschäftsführer vom Handballclub THW Kiel sagte daraufhin: „Für das Gesamtpaket können wir fast 70 Jahre Handball spielen.“

Welchen Stellenwert hat der Handball für Sie?
Aktiv übe ich die Sportart nicht mehr aus. Mittlerweile ist sie Teil meines Berufs. Da kenne ich mich aus, da fühle ich mich wohl.

100 Jahre Handball

Der Handball feiert 2017 seinen 100. Geburtstag. Die Sportart wurde 1917 von einem Berliner Sportlehrer für Frauen erdacht, die zur damaligen Zeit noch nicht als Fußballerinnen agieren durften – der Feldhandball war erfunden. 1936 war Feldhandball erstmals bei den Olympischen Spielen in Berlin zu sehen. Durch skandinavische Einflüsse entwickelte sich daraus der Hallenhandball, der 1972 in München zum ersten Mal olympisch wurde.

Unveröffentlicht

Von

Julia Weiler

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