Bringt ein lang verfolgtes Projekt an der RUB zuende: Jan-Ulrich Sobisch © RUB, Marquard

Humboldt-Forschungspreis Wie der Buddhismus nach Tibet kam

Jahrhundertealte Schriften lassen Schlüsse auf religiöse Traditionen zu.

Der Tibetologe Dr. Jan-Ulrich Sobisch forscht für ein Jahr als Humboldt-Forschungspreisträger am Centrum für religionswissenschaftliche Studien, kurz Ceres.

Herr Sobisch, womit befassen Sie sich in Ihrem Jahr an der RUB?
Der Humboldt-Preis macht es mir möglich, ein Buchprojekt, mit dem ich mich schon lange beschäftige, zu Ende zu bringen. Es geht um die Übersetzung eines Kommentars zum Buddhismus in Tibet aus dem 17. Jahrhundert, der auf einen älteren Kommentar aus dem 13. Jahrhundert zurückgeht. Ich übertrage das Buch, das zuvor noch niemand bearbeitet hat, ins Englische. Ans Ceres bin ich mit dem Preis gekommen, weil es hier einen einzigartigen Forschungskontext gibt. Ich werde hier für meine Arbeit wichtige religionswissenschaftliche Fragestellungen erarbeiten und erforschen.

Zur Person

Jan-Ulrich Sobisch studierte Tibetologie in Hamburg und war danach Postdoc in München, Professor in Kopenhagen und Visiting Fellow in Erlangen. Er kam er im November 2017 als Humboldt-Forschungspreisträger nach Bochum.

Was kann man aus einem solchen Kommentar herauslesen?
Aus dieser Art Kommentar lässt sich auf die Verbreitung des Buddhismus in Tibet zurückschließen. Sie hat in zwei Wellen stattgefunden. Nachdem die Tibeter zuvor ein kriegerisches Reitervolk gewesen waren, übernahmen sie erstmals im 8. und 9. Jahrhundert den Buddhismus aus Indien. Später kam es dann zu politischen Wirren, das Reich brach zusammen. Etwa 100 Jahre danach fand eine erneute Ausbreitung des Buddhismus statt.

Eine der vier buddhistischen Schulen Tibets war zunächst eine yogische Tradition ohne große Klöster. Man meditierte in abgeschiedenen Gruppen an entlegenen Orten. Erst nachdem ein  Mönch, der später sehr berühmt wurde, das erste Kloster gegründet hatte, breitete sich die Tradition massiv aus, und zahlreiche Zweigklöster wurden gegründet.

Man muss schon mit einer gehörigen Portion Polemik rechnen.

In dieser Zeit erschien der ältere Kommentar, auf den der, mit dem ich mich zurzeit befasse, zurückgeht. Er enthält 200 Thesen zum Buddhismus. Diskutiert wurden zum Beispiel die Zuordnung der Sutras zu bestimmten Kategorien, sowie Fragen der Ethik, Weisheit und Meditation. Außerdem wurden Fehler in der Überlieferung aufgezeigt, und man grenzte sich von anderen Schulen des Buddhismus ab.

Wie muss man sich einen solchen Kommentar vorstellen?
Der Aufbau der einzelnen Kapitel folgt immer einem bestimmten Muster: Zuerst wird der vermeintliche Fehler benannt, also das, was korrekturbedürftig ist. Dann wird die eigene These formuliert, also was dem Autor zufolge richtig ist. Kritik findet sich häufig gegenüber dem Buddhismus der Gelehrten, der sich zu weit von den Wurzeln yogischer Praxis entferne, zu viel intellektuelle Spekulation enthalte.

Aus der Beschreibung dessen, was die Meinung der anderen sei, lässt sich erschließen, wie der Buddhismus zu der Zeit in Tibet gelebt wurde. Auch wenn man natürlich nicht alles als genau zutreffend annehmen kann. Man muss schon mit einer gehörigen Portion Polemik rechnen.

Wie kommt es, dass noch niemand sich damit beschäftigt hat?
Im 19. und 20. Jahrhundert haben viele europäische Abenteurer und Gelehrte Reisen nach Asien unternommen und Kulturgüter geplündert, man muss es so nennen. Die so mitgebrachten Schriften wurden vielleicht noch katalogisiert, aber noch lange nicht alle bearbeitet. Heute liegen sie in europäischen Museen und Archiven. Da kann man als Forscher noch echte Entdeckungen machen.

Der Jackpot ist 700 Jahre alt

Eine echte Entdeckung war das 700 Jahre alte Manuskript des älteren Kommentars aus dem 13. Jahrhundert. Jan-Ulrich Sobisch fand es in einem Pariser Museum.

Veröffentlicht

Donnerstag
22. Februar 2018
09:40 Uhr

Von

Meike Drießen

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