
„Ich hatte ursprünglich vor, Lehrer für Religion und Deutsch zu werden“, sagt Michael Hölscher, der in seiner Laufbahn jedoch immer Menschen traf, die sein wissenschaftliches Interesse weiter anfachten.
Katholische Theologie Michael Hölscher betrachtet biblische Texte mit neuem Blick
Besonders interessiert ihn die Macht der Sprache. Aber auch moderne Organisationstheorien möchte er ausprobieren.
Über die Texte der Bibel wurde schon lange geforscht und vieles gesagt. Prof. Dr. Michael Hölscher richtet seinen Blick auf neue Aspekte. Ihn interessiert zum Beispiel die religiöse Alltagspraxis der Entstehungszeit biblischer Texte, die Rolle des Raums zu dieser Zeit, oder auch das Management der frühen Christen: Wie haben sie es geschafft, ihre Bewegung mit den damals verfügbaren Mitteln über weite Distanzen zu organisieren und zu vergrößern? Am 5. Mai 2025 wurde er auf den Lehrstuhl für Neues Testament der Ruhr-Universität Bochum berufen.
Die Wirksamkeit der Sprache ist es, die Michael Hölscher besonders fasziniert. „Das gilt für Gebete ebenso wie für andere Machtworte und die im römischen Reich verbreitete Alltagspraxis des Verfluchens“, sagt er. Seine Forschung dazu möchte er ausweiten auf Rituale, die erzählt werden, aber auch auf Gegenstände und Objekte. „In der Johannesoffenbarung, dem letzten Buch des Neuen Testaments, kommen zum Beispiel Figuren vor, denen Feuer aus dem Maul schlägt, wenn jemand ihnen etwas Böses will“, berichtet er. „Das Feuer, etwas Materielles, steht für etwas anderes, vielleicht für die Sprache.“
Für Fragen zu Metropolen, Pluralität und der Vielfalt der Lebenswelten ist das Ruhrgebiet einfach der ideale Ort.
Ein weiterer Aspekt, der ihn beschäftigt, ist der Raum: Wie erzählt das Neue Testament von Städten und Metropolen als Verdichtungsräumen? „Die Stadt war für die frühen Christen sehr bedeutend. Erst hier konnte die Religion erfolgreich werden, obwohl ihr Ursprung in ländlichen Gegenden lag“, sagt der Theologe. Das Thema Kirche und Stadt hat in 2.000 Jahren nichts an Bedeutung verloren. „Fragen heute sind zum Beispiel, wie die Kirchen in multikulturellen Kontexten agieren.“ Ein Seminar zum Thema ist für Wintersemester 2025/26 in Arbeit. „Für Fragen zu Metropolen, Pluralität und der Vielfalt der Lebenswelten ist das Ruhrgebiet einfach der ideale Ort“, sagt Hölscher, der aus Mainz nach Bochum gekommen ist. Zudem passen die Schwerpunkte der Fakultät und das Augenmerk auf Wissenschaftskommunikation inhaltlich gut zu seiner Ausrichtung.
Bezüge zur Gegenwart findet Michael Hölscher auch mit Blick auf die Organisationsstruktur der frühen Christen. „Wir wissen zwar, dass Paulus Briefe geschrieben und Geld gesammelt hat, das er als Kollekte nach Jerusalem getragen hat“, sagt er. „Aber ich möchte einmal moderne Theorien ausprobieren und die Frage nach der erfolgreichen Organisation der damals kleinen Gruppe interdisziplinär angehen.“