Interview Humboldt-Stipendiat erforscht Entstehung des Sonnenwindes
Folgen starker Sonnenaktivität sind nach Minuten bis Tagen an der Erde messbar. Um große Sonneneruptionen vorherzusagen, und zum Schutz von Astronauten und Satelliten, untersuchen Plasmaphysiker relevante Prozesse.
Dr. Mahmoud Saad Afify Ali Ibrahim erforscht die mikrophysikalischen Mechanismen der Wärmestromregulierung in unmittelbarer Nähe der Sonne, gemeinsam mit der Gruppe von Prof. Dr. Maria Elena Innocenti am Institut für Theoretische Physik I der Ruhr-Universität Bochum. Im Interview spricht der Plasmaphysiker über die Arbeit, seine Familie und seine Ambitionen für die Zukunft.
Herr Ibrahim, könnten Sie bitte erklären, was Sie untersuchen?
Die Sonne ist ein massiver Himmelskörper, der hauptsächlich aus Plasma besteht, dem vierten Aggregatzustand der Materie, zusammengesetzt aus geladenen Teilchen wie Ionen und Elektronen. Interessanterweise nimmt die Plasmadichte auf dem Weg von der Sonnenoberfläche zur Korona, der äußersten und heißesten Schicht der Sonnenatmosphäre, ab, während die Temperatur nach einem leichten Rückgang an der sichtbaren Oberfläche nach außen hin wieder ansteigt.
Die Korona ist die Schicht der Sonnenatmosphäre, die den größten Teil eines kontinuierlichen Stroms geladener Teilchen emittiert, des so genannten Sonnenwinds. Letzterer wird mit hohen Geschwindigkeiten in das Sonnensystem hinein beschleunigt: Der schnelle Sonnenwind erreicht leicht 800 Kilometer pro Sekunde.
Flares und koronale Massenauswürfe, kurze, explosionsartige Ereignisse, bei denen das Plasma plötzlich hell aufleuchtet und magnetische Kräfte riesige Gasblasen in den Weltraum schleudern, führen sogar zu noch größeren Geschwindigkeiten.
Es ist wichtig, unser Verständnis über die Gegebenheiten zwischen Sonne und Erde zu verbessen, … auch um die Folgen starker Sonnenereignisse für den erdnahen Raum begrenzen zu können.
Solche Sonnenwindaktivität kann die Erde erreichen. Ihre energiereichen Teilchen, die auf der Sonne auf extrem hohe Geschwindigkeiten beschleunigt wurden, sind sogar in der Lage, Raumfahrtausrüstung zu beschädigen und Menschen zu gefährden, insbesondere diejenigen, die sich im Weltall befinden, wo sie nicht durch das Magnetfeld der Erde geschützt sind.
Unser Ziel ist es, die mikrophysikalischen Mechanismen der Wärmestromregulierung in der inneren Atmosphäre der Sonne zu untersuchen, wobei wir auch Daten der Parker Solar Probe nutzen, einer Sonde, die 2018 auf den Weg zur Sonne gebracht wurde. Wir rechnen damit, dass unsere Ergebnisse zum Verständnis wärmestromregulierender Instabilitäten in der Sonnenatmosphäre beitragen werden, wie sie kürzlich dort beobachtet wurden.
Daneben ist es wichtig, unser Verständnis über die Gegebenheiten zwischen Sonne und Erde zu verbessen, nicht nur aus rein wissenschaftlicher Sicht, sondern auch um die Folgen starker Sonnenereignisse für den erdnahen Raum begrenzen zu können.
Als Teil dieser Gruppe werde ich neue Kompetenzen erwerben, insbesondere in der Computerphysik und der Physik der Sonnenatmosphäre.
Warum haben Sie sich entschieden, nach Bochum zu kommen?
Die Gruppe von Prof. Maria Elena Innocenti untersucht bereits die Rolle kinetischer Instabilitäten bei der Regulierung des Wärmeflusses im Sonnenwind. Als Teil dieser Gruppe werde ich neue Kompetenzen erwerben, insbesondere in der Computerphysik und der Physik der Sonnenatmosphäre. Dies wird für meine zukünftige Karriere wichtig sein, da numerische Simulationen ein wesentliches Werkzeug in der Physik sind.
Außerdem werde ich Zugang zu den Beobachtungsdaten der Parker Solar Probe, Helios-, und Solar Orbiter-Missionen haben. Diese werden direkte Grundlage für meine theoretischen Studien bieten und so meine internationale Sichtbarkeit und mein Ansehen in diesem Bereich erhöhen.
Darüber hinaus wird mich das Projekt bei der Teilnahme an Konferenzen unterstützen, die eine wichtige Gelegenheit sind, ein Netzwerk internationaler Kollegen aufzubauen. Daher ist dieses Projekt eine großartige Gelegenheit für mich, mein unabhängiges Forschungsprofil weiter zu verbessern und meine Chancen auf eine Beförderung zum Professor in Ägypten deutlich zu erhöhen, wo ich hoffe, in naher Zukunft meine eigene Forschungsgruppe zu gründen.
Ein großartiges Umfeld, in dem du jeden Tag neue Kenntnisse erwerben kannst
Haben Sie während Ihrer Zeit in Bochum schon etwas Interessantes herausgefunden?
Ich finde es sehr lohnend, sich einen Überblick über andere Kulturen zu verschaffen. Denn man kann die Vorteile und Grenzen der eigenen Kultur besser verstehen, wenn man erfährt, wie Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensweisen leben, reagieren und essen.
Fühlen Sie sich hier wohl?
Auf jeden Fall, ich fühle mich wohl an der Ruhr-Universität, wo es auch vielfältige Unterstützungsangebote gibt.
Was hat Sie überrascht?
Ein großartiges Umfeld, in dem man jeden Tag mehr Wissen erwerben und sich mit High Performance Computing und Code-Optimierung beschäftigen kann.
An den Wochenenden habe ich viel für meine Frau und meine drei Kinder zu tun.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
An den Wochenenden habe ich viel für meine Frau und meine drei Kinder zu tun: Mohamad ist neun, Ahmed sieben, Hamza fünf Jahre alt. Ich muss mit ihnen spielen und ihnen helfen, mehr Wissen zu erwerben, da sie verschiedene Unterrichtsprogramme haben: Deutsch und Ägyptisch. Und wir besuchen verschiedene Geschäfte und Parks.
Außerdem helfe ich meiner Frau, Dr. Walaa Shaalan, die promovierte Biologin ist, im Haushalt, damit sie mit ihrer Forschungsarbeit weiterkommt. So hat sie auch mehr Zeit für den Austausch mit Arbeitsgruppen an der Ruhr-Universität.
Hatten Sie die Möglichkeit, zu reisen?
Im Juni 2023 war ich in Berlin und habe während der Jahrestagung der Alexander von Humboldt Stiftung den Bundespräsidenten getroffen. Zudem habe ich für meinen intensiven Deutschkurs zwei Monate lang ohne meine Familie in Köln gelebt und dort einiges gesehen. Durch solche Ereignisse erlangen wir mehr Wissen über die deutsche Kultur.
Möchten Sie noch etwas hinzufügen?
Ich würde gern der Alexander von Humboldt Stiftung für die finanzielle Unterstützung danken. Und natürlich möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um mich bei Prof. Maria Elena Innocenti für ihre Gastfreundschaft und Unterstützung zu bedanken.