Mathematik Christian Lehn sucht nach neuen geometrischen Objekten
Der neu ernannte Professor arbeitet im hochdimensionalen Raum – und findet das Ruhrgebiet dafür besonders gut geeignet.
Auf dem Fensterbrett von Christian Lehns Büro stapelt sich Papier – gebundene, lose, geheftete Schriftstücke sind auf 15 ordentliche Stapel verteilt. Das liegt zum einen daran, dass er erst seit Kurzem an der Ruhr-Universität Bochum ist und noch auf den Schrank für sein neues Büro wartet. Zum anderen liegt es an seiner Disziplin. Lehn ist neu ernannter Professor für Geometrie an der Fakultät für Mathematik. Bei seiner Arbeit helfen noch keine Hochleistungsrechner oder Algorithmen, sie findet allein im Kopf und auf Papier statt. „Wobei ich im Alltag natürlich schon den Computer für Notizen nutze und nicht mit Zetteln und Bleistift da sitze“, schränkt er ein. Aber um die Formeln zurate zu ziehen, die er für seine Arbeit braucht, liest er sich durch die Dokumente auf seiner Fensterbank.
Lehn ist seit Oktober 2023 an der Ruhr-Universität Bochum, als Experte für algebraische und komplexe Geometrie. Er beschreibt geometrische Objekte mit algebraischen Gleichungen. „Komplex bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass es besonders schwierig ist, sondern dass ich mich der komplexen Zahlen bediene“, fügt er hinzu.
Komplexe Zahlen
In seiner Forschung sucht Christian Lehn nach geometrischen Räumen mit bestimmten, vorab definierten Eigenschaften. In einem ersten Schritt versucht er, aus diesen definierenden Eigenschaften die Möglichkeiten, wie so ein Raum überhaupt aussehen könnte, einzugrenzen. „Im zweiten Schritt frage ich mich dann: Gibt es überhaupt geometrische Objekte, die diese Eigenschaften erfüllen? Wenn ja, wie viele? Und wie kann man sie produzieren?“, erklärt der Mathematiker. „Es ist faszinierend, wie ein zu Beginn abstraktes Theorie-Gebilde zu etwas so Konkretem führen kann. Am Ende gibt es quasi keinen Unterschied mehr zwischen Theorie und Praxis – wobei mir klar ist, dass das, was ich als Praxis bezeichne, für andere immer noch wie sehr abstrakte Theorie klingen muss“, fügt er lachend hinzu.
Als ich von meinem bevorstehenden Wechsel erzählt habe, haben viele Kolleginnen und Kollegen in den höchsten Tönen von der Qualität der Forschung hier gesprochen.
Christian Lehn
Damit spielt der Mathematiker darauf an, dass die Objekte, die seine Formeln hervorbringen, nicht visualisierbar sind. Denn sie besitzen mindestens vier Dimensionen, häufig mehr. Mit dieser Art von Arbeit ist er an der Ruhr-Universität nicht allein. „In Bochum befassen sich sehr viele Leute mit Geometrie, die Fakultät ist sehr breit aufgestellt“, sagt er. „Als ich von meinem bevorstehenden Wechsel erzählt habe, haben viele Kolleginnen und Kollegen in den höchsten Tönen von der Qualität der Forschung hier gesprochen.“
Und noch ein weiterer Grund hat den gebürtigen Hessen ins Ruhrgebiet gelockt: „In NRW gibt es viele Unis mit guten Mathematik-Fakultäten auf engem Raum“, so Lehn. „Mit einem Kollegen von der Uni Duisburg-Essen habe ich bereits ein gemeinsames Seminar gestartet – so etwas passiert hier andauernd.“