Politik Jobcenterbeschäftigte sehen Bürgergeld kritisch
Ein Forschungsteam stellt die Ergebnisse einer Online-Befragung vor.
Im Januar 2023 hat in Deutschland das Bürgergeld das System der Grundsicherung abgelöst. Nach einem Jahr Bürgergeldreform hat ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Beschäftigte in sieben Jobcentern in Nordrhein-Westfalen befragt, um eine erste Bilanz zur Umsetzungspraxis zu ziehen. Die Jobcenterbeschäftigten sehen demnach das Bürgergeldgesetz mehrheitlich sehr skeptisch, aber mit Blick auf einzelne Reformaspekte finden sich auch differenzierte sowie vereinzelt positive Einschätzungen. Insbesondere die Einführung der Bagatellgrenze und die verbesserte Betreuung Langzeitarbeitsloser wurden mehrheitlich positiv beurteilt. Überwiegend negativ bewertet wurden hingegen die höheren Regelsätze und die neue Sanktionspraxis. Die Studie ist online veröffentlicht.
Zu geringer Abstand von den Löhnen
Insgesamt 1.894 Beschäftigte der Jobcenter der Städteregion Aachen sowie der Städte Bochum, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Wuppertal und des Kreises Recklinghausen beantworteten den von den Forschenden entwickelten Online-Fragebogen. „Sie gehen mehrheitlich davon aus, dass sich die Motivation und die Mitwirkung der Leistungsbeziehenden durch das Bürgergeld nicht verbessern“, berichtet Prof. Dr. Rolf G. Heinze, Sozialwissenschaftler der Ruhr-Universität. Besonders kritisch bewerteten die Befragten dabei den geringen Abstand der Regelsätze von den Löhnen. Er führe nicht dazu, dass Menschen motiviert würden, eine Arbeit anzunehmen, so die Befürchtung. Auch waren die Befragten überwiegend der Meinung, der bürokratische Aufwand habe sich durch die Einführung des Bürgergelds nicht wesentlich verringert.
Die digitale Form der Beantragung, die Verständlichkeit der Sprache und die Verfügbarkeit von Coaches für Langzeitarbeitslose kamen in der Befragung besonders gut weg. Auch habe sich das Vertrauensverhältnis mit Kunden und Kundinnen verbessert. Die Forschenden empfehlen weitere repräsentative Untersuchungen, die auch die Menschen einbeziehen, die Bürgergeld beziehen.