Interview Zitieren kostet nichts
Wenn das Vertrauen zu den Kollegen schwindet, keimt ein Verdacht. Viel besser als abzuwarten ist es, dann früh die Ombudsstelle zu kontaktieren.
Prof. Dr. Ulf Eysel ist seit 2013 Ombudsperson für gute wissenschaftliche Praxis der Ruhr-Universität. Mit Beginn seiner zweiten Amtszeit arbeitet er mit drei weiteren Forscherinnen und Forschern im Team.
Herr Prof. Eysel, was muss eine Ombudsperson für ihr Amt mitbringen?
Zunächst einmal, wie in den Leitlinien veröffentlicht, müssen es in der Wissenschaft international angesehene Persönlichkeiten sein. Für die Arbeit als Ombudsperson ist es dann unter anderem wichtig, richtig zuhören zu können. Dafür und für andere Dinge wie Mediation gibt es Fortbildungen, die ich auch regelmäßig besuche.
Jeder hat den Eindruck, ich sei voll und ganz seiner Meinung.
Wenn jemand zu mir kommt und mir einen Fall schildert, halte ich mich mit meiner eigenen Meinung möglichst zurück. Dann führe ich ein entsprechendes Gespräch mit der Gegenseite. Jeder, der danach wieder geht, hat den Eindruck, ich sei voll und ganz seiner Meinung – was natürlich nicht immer stimmen kann. Das sage ich meinen Gesprächspartnern auch. Diese Haltung ist wichtig, um im weiteren Verlauf eine Sachlage von allen Seiten unvoreingenommen betrachten zu können.
Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Gründe für eine Anfrage an die Ombudsperson?
Rund die Hälfte aller Fälle basiert auf Teamkonflikten. Da geht man eine gemeinsame Arbeit ohne detaillierte Absprachen an, weil man sich vertraut, und im Laufe der Zeit schwindet das Vertrauen. Wenn die Leute früh genug damit zu mir kommen, wenn das Problem noch im Entstehen begriffen ist, gelingt es oft, die Situation zu entschärften, bevor es einen Fall von wissenschaftlichem Fehlverhalten gibt.
Oft geht es auch um Schwierigkeiten mit der Autorenschaft. Ganz häufige Fragen drehen sich um die richtige Zitierweise, häufig kommen sie von Doktoranden. Mein erster Rat am Telefon ist dann immer: Zitieren kostet nichts.
Kommen diese Fragen beim Schreiben der Doktorarbeit denn nicht reichlich spät?
Ja, daher bieten wir auch Vorträge zu guter wissenschaftlicher Praxis schon in Masterstudiengängen an und natürlich auch für Doktoranden in der Research School und anderen Graduiertenschulen.
Ich freue mich darauf, dass wir jetzt ein Team sind.
Sie haben die Funktion des Ombudsmans vier Jahre lang allein wahrgenommen. Was erwarten Sie von dem neuen Team?
Ich freue mich darauf, dass wir jetzt ein Team sind und ich nicht mehr für mich allein arbeiten muss. Ich bin sicher, das wird die individuelle Belastung und damit die Bearbeitungszeit für die einzelnen Fälle senken und hoffentlich auch mehr Freude machen.
Es wird mit einer weiteren Professionalisierung einhergehen. Neben der Rechtsberatung durch einen Juristen, die es schon immer gab, werden wir auch Unterstützung durch ein Sekretariat bekommen. Gemeinsam werden wir die Sichtbarkeit der Ombudsstelle weiter verbessern. Wir planen zum Beispiel eine Webseite mit einer Liste der häufigsten Fragen und Antworten und später auch Berichte über anonymisierte Fälle.
Wie schätzen Sie denn das Bewusstsein für gute wissenschaftliche Praxis ein?
Es ist in den vergangenen Jahren sehr gewachsen, vor allem nach der Guttenberg-Affäre 2011. Das zeigt sich sehr deutlich in den Fallzahlen, die die Ombudsstelle zu bearbeiten hatte. In den zehn Jahren vor Guttenberg gab es insgesamt 14 Fälle an der RUB. Ab 2012 gab es dann jeweils zehn oder mehr Fälle in einem Jahr.
Man kann so viel Inhalte übernehmen, wie man will, wenn man das Zitat als solches kenntlich macht.
Das heißt nicht, dass es seitdem mehr wissenschaftliches Fehlverhalten gibt, im Gegenteil. Oft liegt das Fehlverhalten in der Zeit vor 2011. Es kam zum Beispiel früher häufiger vor, dass in Einleitungen von Dissertationen Texte anderer unzitiert übernommen wurden. Das macht diese Arbeiten angreifbar, auch wenn die eigene wissenschaftliche Arbeit eigenständig und originell war. Damals wie heute gilt: Man kann so viel Inhalte übernehmen, wie man will, wenn man das Zitat als solches kenntlich macht.
Es kann gut sein, dass die Anzahl der Fälle in Zukunft weiter abnimmt. Was ich feststelle, ist, dass es immer weniger schwere Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens gibt, während die Zahl der Beratungen und Mediationen zunimmt.