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Drei Fragen an Yvonne Wübben
Sie haben Germanistik, Philosophie und Medizin studiert und zwei Doktortitel. Wie schafft man das?
Die Frage „Wie schafft man das?“ kann ich gar nicht leicht beantworten. Wichtiger war für mich die Frage: „Warum ist das interessant?“ Ich bin in meinem Studium oft an Grenzen gestoßen. In der Medizin habe ich über Hirnstromveränderungen bei Schizophrenen promoviert. Man kann sie mithilfe der Elektroenzephalografie (EEG) messen. Allerdings habe ich dann schnell bemerkt, dass mir diese Untersuchungen nicht dabei helfen, wesentliche Aspekte der Erkrankung zu verstehen.
Heute arbeite ich als doppelt promovierte Medizinerin und Literaturwissenschaftlerin über die Geschichte der Psychiatrie. In vielen anderen Ländern sind multidisziplinäre Karrieren durchaus üblich. In Frankreich ist es gar nicht ungewöhnlich, als klinische Psychiaterin oder Psychologin zu arbeiten und zugleich Philosophie zu lehren oder Vorlesungen über die Geschichte der Psychiatrie zu halten.
Fühlen Sie sich eher als Medizinerin oder Geisteswissenschaftlerin?
Ich stehe oft dazwischen. Von anderen Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern unterscheide ich mich durch meine medizinische Sicht auf die Dinge. Das merke ich besonders gegenüber Kollegen und Kolleginnen, die die Geschichte der Wissenschaften erforschen, aber naturgemäß kein Fachwissen mitbringen. Ich fühle mich dann immer sehr als Medizinerin und frage mich: Ist das plausibel?
Gegenüber Medizinern und Medizinerinnen fühle ich mich eher als Geisteswissenschaftlerin. In der Tat habe ich die Entwicklungen der vergangenen Jahre verpasst und auch viele fachliche Lücken. Ein Bekannter hat daher einmal von einer doppelten Halbseitenlähmung gesprochen. Kein schönes Bild!
Man kann die Doppelkompetenz aber auch als Chance sehen, über den eigenen Rand hinauszuschauen. Es hängt immer davon ab, wie offen und interessiert Institutionen an interdisziplinären Ansätzen sind. Die RUB ist in dieser Hinsicht ein echter Glücksfall.
Warum haben Sie sich für die Arbeit in der Mercator-Forschergruppe (MRG) entschieden?
Die RUB hat mit der MRG einen interessanten Ort für interdisziplinäre Zusammenarbeit geschaffen. Oft bleiben derartige Versprechen leer. Interdisziplinäre Arbeiten werden vielfach als Gefahr gesehen, die die Fächer in ihrer Autonomie bedrohen, oder sie werden unter Dilettantismus-Verdacht gestellt.
Ich habe in der MRG sehr positive Erfahrungen mit dieser Arbeitsweise gemacht und würde mir wünschen, dass sie sich innerhalb der Universitäten mehr durchsetzen wird.
14. September 2015
15.35 Uhr