Philosophie Die Alarm-Theorie des Bewusstseins
Das Bewusstsein gibt Forschenden nach wie vor Rätsel auf. Ein Team aus Bochum und San Francisco präsentiert eine neue Theorie zu seiner Funktion.
Menschen haben Bewusstsein – aber handelt es sich dabei nur um ein Nebenprodukt der Evolution oder erfüllt es eine Grundfunktion? Zu dieser Frage haben Prof. Dr. Albert Newen von der Ruhr-Universität Bochum und Prof. Dr. Carlos Montemayor von der San Francisco State University eine neue Theorie entwickelt. Im Journal of Consciousness Studies vom 1. Januar 2023 unterscheiden sie zwei Stufen von Bewusstsein, die auch zwei verschiedene Funktionen haben.
Die erste Stufe des Bewusstseins ist das basale Empfinden, die zweite die allgemeine Alltagswachheit. „Mit diesen beiden Stufen sind zwei aufeinander aufbauende Grundfunktionen verbunden“, erklärt Albert Newen vom Bochumer Institut für Philosophie II, warum er Bewusstsein nicht für ein zufälliges Beiprodukt der Evolution hält. Laut der Alarm-Theorie ist das basale Empfinden evolutionär zuerst entstanden, um den Körper in einen Alarmzustand versetzen zu können, damit das Leben des Organismus erhalten bleibt. Das geschieht etwa, wenn Kernfunktionen des Lebens wie Atmung, Nahrungszufuhr oder Temperaturregelung plötzlich aus dem Gleichgewicht geraten und das Überleben gefährdet ist.
Darauf aufbauend haben Menschen und auch viele Tiere laut Newen und Montemayor zusätzlich eine allgemeine Alltagswachheit entwickelt. Sie ermöglicht viele Formen des Lernens, die mit gezielter Aufmerksamkeit einhergehen. Im Fall eines Alarmzustands des Körpers können die Lebewesen mithilfe von Alltagswachheit nicht nur wenige Reflexe, sondern auch neue Handlungen in Gang setzen.
Hinweise für diese Unterscheidung finden sich in tierexperimentellen Studien anderer Gruppen.