Die Handball-Europameisterschaft 2018 ist zwar vorbei, aber die Diskussionen um die Leistung des deutschen Teams sind in vollem Gange. © RUB, Kramer

Statistische Analyse So gut waren die einzelnen Spieler bei der Handball-EM

Nach der Handball-Europameisterschaft wird über die Leistung von Spielern heiß diskutiert – vor allem in Deutschland. Ein objektiver Ansatz.

Oft werden nach einem großen Sportturnier Noten für die Spieler vergeben. Einen objektiven Ansatz dafür schlagen Jörn Uhrmeister, Fachleiter im Handball an der Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, und Statistiker Oliver Brosig vor. Mit einem selbst entwickelten Algorithmus analysierten sie die Leistung der 270 Spieler bei der Handball-Europameisterschaft, die im Januar 2018 in Kroatien stattgefunden hat. Für jeden Spieler präsentieren sie einen „Player Score“, in den unter anderem Tore, Assists, Fehlwürfe, erfolgreiche Abwehraktionen und verschuldete Strafen eingehen.

Die Daten für die Analyse stammen aus den bereitgestellten Informationen zu einzelnen Spielen, Spielern und Mannschaften von der offiziellen Homepage zur Europameisterschaft. Als Ergebnis gibt der Algorithmus für jeden Spieler einen Score aus, der umso höher ist, je wertvoller der Spieler in dem Turnier war.

Die Besten des Turniers

Als wertvollsten Spieler des Turniers ermittelte die Analyse den Dänen Rasmus Lauge Schmidt mit einem Score von 129,5 – und nicht den von der European Handball Federation als „Most Valuable Player“ ausgezeichneten Schweden Jim Gottfridsson, der in der Analyse auf Platz 42 landete. Position zwei belegte der Norweger Sander Sagosen mit einem Wert von 100,5, der sich im All-Star-Team der EM 2018 als Spielmacher wiederfindet. Der dreimalige Welthandballer Nikola Karabatic erreichte mit einem Wert von 74,4 Platz sieben. Bester Deutscher war Abwehrspezialist Finn Lemke auf Rang 40.

Bilanz des deutschen Teams

Das Schlusslicht im deutschen Kader bilden mit Scores von minus 8,5 und minus 26,3 die beiden Leipziger Bastian Roschek und Maximilian Janke, die ihr erstes internationales Turnier bestritten. „Wenn man sich diese Scores ansieht“, so folgert Uhrmeister, „dürfte die Kritik an der Kadernominierung durch Bundestrainer Christian Prokop nicht gerade leiser werden.“ Dieser hatte den Neulingen Roschek und Janke zunächst den Vorzug vor etablierten Spielern wie Finn Lemke gegeben, Letzteren dann aber im Verlauf des Turniers nachnominiert.

Auch der später zum Team hinzugestoßene Linksaußen Rune Dahmke erzielte in der kurzen Zeit, die er spielen durfte, einen guten Score. Überhaupt hätten in der Analyse die nachnominierten Spieler überzeugt, resümiert Jörn Uhrmeister. Er ist Lehrkraft im Bochumer Lehr- und Forschungsbereich „Sportarten und Bewegungsfelder“, spielte früher selbst Handball und betreut die Bochumer Hochschulmannschaft in diesem Bereich.

„Nationalmannschaftskapitän Uwe Gensheimer belegt von den 270 betrachteten Spielern immerhin noch Platz 47, obwohl mehr von ihm erwartet wurde“, sagt Uhrmeister. „Natürlich ist auch solch eine Analyse, wie wir sie gemacht haben, ein Stück weit Definitionssache, und die einzelnen Werte müssen vor dem Hintergrund weiterer Informationen interpretiert werden.“

So funktioniert der Algorithmus

Auf der positiven Seite fließen in den Player Score die erzielten Tore, Assists, Ballgewinne, Blocks in der Abwehr und die herausgeholten Strafwürfe ein. Auf der negativen Seite gehen Fehlwürfe, technische Fehler, Ballverluste, verursachte Strafwürfe, Zeitstrafen und rote Karten ein.

Jede Aktion wird dabei auf zwei verschiedene Arten gewichtet: nach Zeit und nach Tordifferenz. Die Zeitgewichtung führt dazu, dass Aktionen zu Beginn eines Spiels weniger stark zu Buche schlagen als Aktionen am Ende eines Spiels. Durch die Tordifferenzgewichtung werden Aktionen bei einem knappen Spielstand zwischen den beiden Mannschaften als gravierender eingestuft als bei einer großen Tordifferenz, bei der das Spiel also vermeintlich schon entschieden ist.

Weitere Versionen des Scores verfügbar

Den Player Score berechneten Brosig und Uhrmeister außerdem in einer Version, die die Anzahl Spiele pro Spieler berücksichtigt, und in einer Version, die die Einsatzzeit in Minuten mit einbezieht. „Diese beiden Versionen bieten nochmals einen anderen Blick auf den Wert eines Spielers“, erklärt Diplom-Statistiker Brosig, der in der freien Wirtschaft tätig ist. „Die Spieler können besser miteinander verglichen werden – egal, ob sie sich verletzt haben oder mit ihren Teams frühzeitig ausgeschieden sind oder an allen Spielen teilgenommen haben.“

Alle Ergebnisse auf Anfrage

Eine Tabelle mit allen Analyse-Ergebnissen erhalten Interessierte auf Anfrage von Jörn Uhrmeister.

Pressekontakt

Jörn Uhrmeister
Lehr- und Forschungsbereich Sportarten und Bewegungsfelder
Fakultät für Sportwissenschaft
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 24036
E-Mail: joern.uhrmeister@rub.de

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Veröffentlicht

Dienstag
06. Februar 2018
08:52 Uhr

Von

Julia Weiler

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