Interview RUB-Absolvent baut Achterbahnen
In einer neuen Achterbahn im amerikanischen Vergnügungspark Disney World steckt Know-how und Herzblut aus Bochum.
Seit dem 30. Juni 2018 stehen die Menschen in Disney World in Florida, USA, Schlange an der Attraktion Slinky Dog Dash. Die Steuerung der Achterbahn hat ein Bochumer Absolvent konstruiert. Kai Lamers hat an der RUB studiert – und gibt im Interview Einblicke in seine ungewöhnliche Tätigkeit.
Herr Lamers, haben Sie Ihr Hobby zum Beruf gemacht?
In gewisser Weise ja. Achterbahnen fand ich schon immer interessant und faszinierend. Während des Studiums in meiner Vertiefungsrichtung Automatisierungstechnik kam natürlich irgendwann die Frage auf, was ich beruflich machen möchte. Also habe ich versucht, ein entsprechendes Industriepraktikum zu machen, was aber leider nicht geklappt hat. Nach dem Studium hatte ich zunächst für kurze Zeit einen anderen Job – der war toll, hat aber nicht zu mir gepasst. Dann habe ich mich bei meinem heutigen Arbeitgeber beworben.
Gibt es überhaupt einen Markt in diesem Bereich?
Der ist sehr überschaubar. Im Grunde agiert da nur eine geringe Anzahl Unternehmen in Deutschland. Bei dem größten davon arbeite ich jetzt. Das sind eher Hidden Champions, die Unternehmen sind außerhalb der Branche nicht so bekannt.
Das ist halt keine Klimaanlage in einem Schlachthaus, sondern etwas, das den Leuten Spaß macht.
Was ist das Besondere an der Konstruktion von Achterbahnen?
Dass es letztlich mit Technik und mit Menschen zu tun hat. Natürlich ist auch eine Achterbahn zunächst nur eine große Maschine. Gerade in der Automatisierungstechnik beschäftigt man sich eher trocken und theoretisch sehr viel mit Maschinenregelung, die Theorie dahinter gleicht sich bei vielen Maschinen schon. Das praktische Ergebnis ist dann aber doch eine Achterbahn. Das ist halt keine Klimaanlage in einem Schlachthaus, sondern etwas, das den Leuten Spaß macht.
Wie sieht Ihr Berufsalltag aus?
Der ist tatsächlich sehr abwechslungsreich. Ein Projektingenieur betreut einen Auftrag von Anfang bis Ende. Dadurch ergibt sich für mich eine Mischung aus Büroarbeit, Kundenkontakt, Programmierung und Inbetriebnahme der Anlage. Es gibt Phasen, in denen sitze ich am Schreibtisch und wälze Kataloge auf der Suche nach passenden Komponenten. Dann gibt es Dinge, die direkt mit dem Kunden besprochen werden müssen, also fliege ich zu Kundenterminen.
Das Programmieren einer Anlage erfordert sehr viel Ruhe und Konzentration. Zum Schluss erweckt man das, was man die letzten Monate oder auch Jahre gemacht hat, zum Leben – und schaut, ob alles richtig funktioniert. Das ist spannend.
Wie lange dauert das bei einer solchen Anlage wie dem Slinky Dog Dash?
Die Inbetriebnahme nahezu ein Jahr – von August 2017 bis Juni 2018. Das gesamte Projekt hat sich über dreieinhalb Jahre erstreckt. Es war mein erstes großes Projekt, das ich hauptsächlich bearbeitet habe.
Und was macht diese neue Achterbahn technisch aus?
Es ist eine Familienachterbahn, ein sogenannter Doppel-Launch-Coaster, der mit Elektromagneten angetrieben und abgeschossen wird – und das zweimal während der Fahrt, daher die Bezeichnung. Es handelt sich hierbei also nicht um eine klassische Achterbahn, die mit einer Kette einen Hügel hinaufgezogen wird.
Gibt es einen besonderen Auftrag, den Sie sich wünschen würden?
So ganz konkret nicht, aber allgemein gesprochen: Einen Prototyp gleich welcher Art mit zu entwickeln, das würde mich reizen. Ob das eine Achterbahn wäre, eine Wasserbahn oder ein anderes Fahrgeschäft, ist eigentlich egal.
Ist der nächste Großauftrag denn schon eingegangen?
Oh ja. Ich bin seit knapp vier Wochen zurück in Deutschland und arbeite nun an einem Auftrag aus Asien. Dort wird ein komplett neuer Freizeitpark gebaut, da werden jede Menge Fahrgeschäfte benötigt – und einige davon kommen auch aus Deutschland. Mehr Details kann ich dazu aber noch nicht verraten.
Welche ist Ihre persönliche Lieblingsachterbahn?
Es gibt viele schöne. Die Eine habe ich gar nicht.
Können Sie eigentlich noch ganz normal und unvoreingenommen in eine Achterbahn einsteigen?
Das ist schwierig. Nicht, weil ich irgendwelche Bedenken hätte, aber der eigene Blick ändert sich. Vor Jahren hat man sich einfach reingesetzt und Spaß gehabt. Jetzt denke ich mir ständig: Ah, da sind irgendwelche Sensoren, wofür sind die denn gut, wie funktioniert das?
Nur, von außen betrachtet, kann man die Logik, die dahintersteckt, gar nicht erfassen. Das ist im Grunde bei jeder Anlage so: Das, was man sieht, sind vielleicht fünf Prozent. Der Rest, also die ganze Diagnoseaufgabe und die ganze Abhandlung des „Was-Wäre-Wenn“, bleibt als Black Box verborgen.
Ich habe das hier in Bochum sehr genossen.
Wenn Sie Studierenden von heute etwas raten könnten, was wäre das mit Blick auf den Beruf?
Gerade im Bereich Elektrotechnik lernt man ein sehr breitgefächertes Feld kennen. Umso wichtiger ist es, für sich selbst frühzeitig Schwerpunkte zu setzen und gezielt in eine bestimmte Richtung zu gehen. Rückblickend denke ich, dass ich mich selbst auch erst sehr spät spezialisiert, also länger in die Breite studiert habe. Die eine oder andere Vorlesung aus meinem Bereich hätte ich aus heutiger Perspektive gern gehört, das hätte mir noch einiges gebracht und war mir damals nicht so bewusst.
Ich würde aber auf jeden Fall wieder das gleiche Fach studieren – und auch der Studienort wäre der gleiche. Ich habe das hier in Bochum sehr genossen. Daher komme ich zum Beispiel auch weiterhin jedes Jahr zum Sommerfest.