Alzheimer-Patienten fällt es schon in frühen Krankheitsstadien schwer, sich räumlich zurechtzufinden. © RUB, Kramer

Neurowissenschaft Hirnwellen ermöglichen Einblicke ins Navigationssystem des Gehirns

Mittels Tiefenelektroden messbare Hirnwellen erlauben Einblicke in das menschliche Navigationssystem. Das Verfahren eröffnet neue Ansätze für die frühe Alzheimer-Diagnostik.

Das Gehirn legt eine Art Landkarte unserer Umgebung an, was eine zuverlässige räumliche Navigation erlaubt. Für die Erforschung, wie dieses Navigationssystem auf Zell-Ebene funktioniert, wurde 2014 der Nobelpreis vergeben. Nun haben Forscher des Universitätsklinikums Freiburg, der Universität Bochum und der Universität Peking nachgewiesen, dass Charakteristika dieses Navigationssystems auch in Hirnwellen vorhanden sind, die mittels Tiefenelektroden im menschlichen Gehirn messbar sind. Die Möglichkeit, auf diese Weise das neuronale Navigationssystem zu prüfen, eröffnet neue Ansätze für die frühe Alzheimer-Diagnostik. Denn ein schlechter werdender Orientierungssinn ist eines der ersten Anzeichen der Krankheit. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forscher am 11. Oktober 2018 im Fachmagazin Current Biology.

Einblicke in Aktivität der Zellen

Bereits früh im Krankheitsverlauf führt die Alzheimer-Erkrankung zum Symptom der räumlichen Desorientiertheit. „Der Verlust der räumlichen Orientierung stellt für Betroffene eine große Einschränkung im Alltag dar“, sagt Ko-Erstautor Dr. Lukas Kunz, Wissenschaftler am Epilepsiezentrum der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg. Die Ursache der Desorientierung dürfte im entorhinalen Kortex liegen. Diese Hirnstruktur ist bei der Alzheimer-Erkrankung mit als erstes betroffen – und vor allem dort befinden sich die sogenannten Gitterzellen. Diese Zellen bilden gemeinsam mit sogenannten Ortszellen fundamentale Komponenten das Navigationssystem des Gehirns.

Nun konnten die Wissenschaftler aus Freiburg, der Ruhr-Universität-Bochum und aus Peking zeigen, dass sich über Hirnwellen Rückschlüsse auf die Aktivität der Gitterzellen ziehen lassen. Hierzu zeichneten sie bei Epilepsiepatienten Hirnaktivität mittels Tiefenelektroden aus dem entorhinalen Kortex auf, während diese sich in einer virtuellen Umgebung bewegten. Möglich war das, weil die Elektroden in Vorbereitung eines epilepsiechirurgischen Eingriffs ohnehin im Gehirn platziert werden mussten.

Langfristiges Ziel: Frühere Alzheimer-Diagnose

In der Hirnaktivität fanden sie eindeutige Hinweise auf wichtige Charakteristika der Gitterzellen. „Wir haben einen Weg gefunden, die Aktivität von Gitterzellen mittels Hirnwellen zu messen. Dies kann langfristig zu spezifischen Tests einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit des neuronalen Navigationssystems führen, etwa im Rahmen einer beginnenden Alzheimer-Krankheit“, sagt Dr. Kunz. Eine sehr frühe Alzheimer-Diagnose könnte dann die zeitgerechte Therapie mit andernfalls wirkungslosen Medikamenten ermöglichen.

Originalveröffentlichung

Dong Chen et al.: Hexadirectional modulation of theta power in human entorhinal cortex during spatial navigation, in: Current Biology, 2018, DOI: 10.1016/j.cub.2018.08.029

Pressekontakt

Dr. Lukas Kunz
Spatial Memory Lab, Epilepsiezentrum, Klinik für Neurochirurgie
Universitätsklinikum Freiburg
Tel.: 0761 270 52870
E-Mail: lukas.kunz@uniklinik-freiburg.de

Prof. Dr. Nikolai Axmacher
Abteilung Neuropsychologie
Institut für Kognitive Neurowissenschaft
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 22674
E-Mail: nikolai.axmacher@rub.de

Veröffentlicht

Freitag
12. Oktober 2018
10:20 Uhr

Von

Johannes Faber (Universitätsklinikum Freiburg)

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