EU-Projekt Unfälle in Kernkraftwerken beherrschbar machen
Eine große Gefahr geht von brennbaren Gasen aus. Ein internationales Konsortium entwickelt ein besseres Unfallmanagement.
Bei einem schweren Unfall in einem Kernkraftwerk können brennbare Gase freigesetzt werden, was das Risiko einer Verbrennung innerhalb des Sicherheitsbehälters mit sich bringt. Diese Gase – darunter Wasserstoff und Kohlenmonoxid – besser zu beherrschen, ist Ziel des EU-Projekts „Towards an enhanced accident management of the hydrogen/CO-combustion risk“, kurz Amhyco. Daran beteiligt ist das Team der Arbeitsgruppe Plant Simulation and Safety der Ruhr-Universität Bochum (RUB) von Prof. Dr. Marco K. Koch. Die Leitung des internationalen Projektkonsortiums aus zwölf Partnern liegt bei der Universidad Politécnica de Madrid. Das Projekt wird von der Europäischen Kommission ab Oktober 2020 für vier Jahre gefördert.
Sicherheitssysteme und Leitfäden für Betreiber
Schwere Unfälle in Kernkraftwerken können für Mensch und Umwelt sehr gefährlich sein. Viele ineinandergreifende Sicherheitssysteme und ein Unfallmanagementleitfaden, der international an Betreiber solcher Kraftwerke ausgegeben wird, sollen helfen, Unfälle zu verhindern und ihre möglichen Folgen abzuschwächen.
Eine große Gefahr geht bei Reaktorunfällen von brennbaren Gasen aus. Bei einem schweren Störfall entsteht durch die Oxidation der Brennstäbe Wasserstoff. In der Folge kann es zu einer Kernschmelze und zum Versagen des Reaktordruckbehälters kommen. Dabei werden durch den Kontakt der austretenden Schmelze mit dem Beton in der Reaktorgrube zusätzlich Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff freigesetzt. Durch die Anwesenheit dieser Gase steigt die Explosionsgefahr. „Diese Gase müssen beherrscht werden, um eine Bedrohung der Integrität des Sicherheitsbehälters zu vermeiden, die zur Freisetzung von radioaktivem Material in die Umwelt führen kann“, so Marco K. Koch.
Genaues Verständnis durch Simulation und Experimente
Ziel des EU-Projekts ist es, das Verständnis der Wasserstoff/Kohlenmonoxid-Verbrennung zu erweitern. Diese und weitere Erkenntnisse aus internationalen Forschungsprojekten können einfließen in die Empfehlung der Aktualisierung des Leitfadens der Reaktorbetreiber für den Umgang mit schweren Unfällen leisten. Auch weitere Vorgänge beziehen die Forscherinnen und Forscher in ihre Arbeit ein, zum Beispiel die Wirkung sogenannter passiver Rekombinatoren. Dabei handelt es sich um Bauteile, zumeist aus Platin oder Palladium, welche als Katalysatoren wirken, an denen eventuell auftretender Wasserstoff mit dem umgebenden Sauerstoff zu Wasser oxidiert werden kann. Auch die Wechselwirkungen zwischen solchen Bauteilen und anderen Sicherheitssystemen sollen untersucht werden. Im Fokus stehen außerdem Systemcodes als Analysewerkzeuge für die Bewertung der Explosionsgefahr innerhalb des Sicherheitsbehälters. Die Verbrennung von Wasserstoff ist nicht nur im kerntechnischen Bereich von Bedeutung, sondern auch in anderen Bereichen, in denen Wasserstoff als Energieträger eingesetzt werden kann.