Wilhelm Hofmann hat den Lehrstuhl für Sozial- und Umweltpsychologie inne.
ERC Advanced Grant
Wie nachhaltige Konsumentscheidungen gelingen
Wilhelm Hofmann ist überzeugt: Nicht der Wille allein zählt. Um nachhaltig zu konsumieren, müssen wir strukturelle Hürden erkennen und verändern.
Wie können nachhaltigere Konsumentscheidungen gelingen – und welche Rolle spielen dabei gesellschaftliche Strukturen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Prof. Dr. Wilhelm Hofmann, Inhaber des Lehrstuhls Sozial- und Umweltpsychologie der Ruhr-Universität Bochum, in seinem neuen Forschungsprojekt „Sustainable Consumption“ – kurz SUSCON. Das Projekt wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem der renommierten Advanced Grants ausgezeichnet. In den kommenden fünf Jahren wird Hofmann mit rund 2,5 Millionen Euro gefördert.
Vom Ich zum Wir
Trotz wachsender Klimasorgen fällt es vielen Menschen schwer, ihr Verhalten grundlegend zu ändern. Warum bleibt die Wende zu nachhaltigerem Konsum oft aus – selbst wenn das Wissen vorhanden ist und die Bereitschaft grundsätzlich besteht? Die gängige Antwort: Es mangelt an individuellem Willen oder Selbstkontrolle. Doch diese Sichtweise greift zu kurz, so Hofmann. „Entscheidend ist, welche Möglichkeiten Menschen überhaupt zur Verfügung stehen – also, ob nachhaltige Alternativen im Alltag verfügbar, erreichbar, bezahlbar und sozial anerkannt sind“, erklärt der Psychologe. Oft seien es gerade strukturelle Barrieren, die nachhaltigen Konsum erschweren – etwa fehlende Infrastruktur oder wirtschaftliche Anreize, die klimaschädliches Verhalten begünstigen. Auch fehlende soziale Anerkennung kann hemmend wirken, etwa wenn nachhaltiges Verhalten im Umfeld kaum vorkommt oder nicht ernst genommen wird.
Das Projekt SUSCON
In Projekt SUSCON untersucht Hofmann, wie stark unser Denken von einem sogenannten Autonomie-Mindset geprägt ist – also der Vorstellung, dass Veränderungen in erster Linie durch individuelles Wollen und Handeln erreicht werden können. Dieses Mindset, so die zentrale These, kann mit struktureller Blindheit einhergehen: Wer glaubt, allein verantwortlich zu sein, übersieht oft, wie sehr Alltagshandeln durch soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen geprägt ist. In mehreren empirischen Studien will das Projekt zeigen, wie sich ein Perspektivwechsel – hin zu einem strukturbezogenen Mindset – fördern lässt. Mithilfe von Kooperationsspielen, Tagebuchstudien im Alltag und einem europaweiten Politikpanel sollen die psychologischen Mechanismen untersucht werden, die zu größerem Problembewusstsein, mehr Kooperation und einer stärkeren Unterstützung wirksamer politischer Maßnahmen führen können.
Ein Blick über die Psychologie hinaus
„SUSCON möchte eine Brücke schlagen zwischen Psychologie, Verhaltensökonomie, Soziologie und Politikwissenschaft“, sagt Hofmann. „Es geht darum, Denkweisen zu hinterfragen, die am Ende des Tages nicht ausreichend wirksam sind – und neue Wege aufzuzeigen, wie wir den strukturellen Wandel gestalten können, den es für eine nachhaltigere Zukunft braucht.“ Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auch auf der Frage, wann und warum Bürger*innen wie auch politische Entscheidungsträger*innen bereit sind, wirksame strukturelle Maßnahmen zu unterstützen und voranzutreiben – also politische Lösungen, die über freiwillige Verhaltensänderungen hinausgehen und die nötigen Rahmenbedingungen für nachhaltigen Konsum schaffen.