RUB und IG Metall

50 Jahre gelebte Kooperation

Die Ruhr-Universität Bochum und die IG Metall haben ein besonderes Jubiläum gefeiert.

Mit einer festlichen Veranstaltung im Atrium des O-Werks haben die Ruhr-Universität Bochum und die IG Metall am 9. Juli 2025 das 50-jährige Bestehen ihres Kooperationsvertrags gefeiert. Zahlreiche Gäste aus Wissenschaft, Gewerkschaft, Politik und Zivilgesellschaft folgten der Einladung der Gemeinsamen Arbeitsstelle RUB/IGM und würdigten die außergewöhnliche und bundesweit einmalige Zusammenarbeit zwischen einer Universität und einer Industriegewerkschaft.

Die Gemeinsame Arbeitsstelle RUB/IGM, die 1979 gegründet wurde, geht zurück auf die 1975 zwischen dem Rektorat der Ruhr-Universität und dem Vorstand der IG Metall geschlossene Kooperationsvereinbarung. Seither versteht sie sich als Brücke zwischen wissenschaftlicher Analyse und gewerkschaftlicher Praxis – mit dem Ziel, arbeitsorientierte Forschung anwendungsnah und gesellschaftlich wirksam zu gestalten.

„50 Jahre Kooperationsvertrag – daraus ist nicht nur gelebte Transformation auf dem ehemaligen Opelgelände erwachsen, sondern auch zahlreiche trans- und interdisziplinäre Forschungsprojekte in einem konkreten Anwendungskontext“, so Dr. Christina Reinhardt, Kanzlerin der Ruhr-Universität Bochum.

Sammelband erschienen

Auch Prof. Dr. Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, sowie Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, hoben die besondere Bedeutung der jahrzehntelangen Kooperation hervor. Im Blickpunkt standen die Präsentation des anlässlich des Jubiläums erschienenen Sammelbandes „Mitbestimmung & Partizipation 2030“ sowie ein Rückblick auf die Entwicklung der Zusammenarbeit – verbunden mit der Frage, wie die Kooperation in Zeiten tiefgreifender gesellschaftlicher Transformationen weiterentwickelt werden kann. In der Kommentierung des Sammelbandes durch Prof. Dr. Birgit Apitzsch (Lehrstuhl Arbeit, Wirtschaft und Wohlfahrt der RUB) und Dr. Detlef Gerst (IG Metall) werden aktuelle Herausforderungen von Demokratie und Mitbestimmung in der Arbeitswelt ebenso thematisiert wie die Rolle gewerkschaftlich inspirierter Wissenschaft.

Die Jubiläumsfeier war nicht nur Anlass zum Rückblick, sondern auch Ausgangspunkt für eine gemeinsame Neuausrichtung der Kooperation. In einer Zeit, in der technologische Umbrüche, ökologische Krisen und soziale Ungleichheiten neue Anforderungen an Arbeitsgestaltung und Demokratie stellen, wollen Ruhr-Universität und IG Metall ihre Zusammenarbeit zukünftig weiter vertiefen und die Gemeinsame Arbeitsstelle als Ort reflexiver, beteiligungsorientierter Forschung stärken.

Perspektiven einer zukünftigen Arbeitsforschung

Nach einer Präsentation von Studierenden zum Wandel der Kooperation rückte Prof. Dr. Manfred Wannöffel, langjähriger Geschäftsführer der Gemeinsamen Arbeitsstelle, zentrale Meilensteine der vergangenen zwei Jahrzehnte in den Fokus und dankte den Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern. Im Anschluss rückten Prof. Dr.-Ing. Bernd Kuhlenkötter (Lehrstuhl für Produktionssysteme) und Hans-Jürgen Urban Perspektiven einer zukünftigen Arbeitsforschung in den Fokus.

„Demokratische Widerstandsfähigkeit erfordert mehr als die Verteidigung politischer Strukturen. Sie lebt davon, dass demokratische Prinzipien auch in Unternehmen, Wirtschaft und Wirtschaftspolitik Einzug halten“, so Urban.

Der Kooperationsvertrag zwischen IG Metall und Ruhr-Universität sowie die von der Gemeinsamen Arbeitsstelle verfolgte Transferforschung seien in diesem Sinne ein Beispiel dafür, wie sich Wissenschaft und Gewerkschaft gemeinsam für eine Demokratisierung des Ökonomischen einsetzen – durch Forschung im Anwendungskontext, interdisziplinären Dialog und konkrete Gestaltungsperspektiven in der Arbeitswelt.

Anbindung an den Lehrstuhl für Produktionssysteme

Die Gemeinsame Arbeitsstelle wird ihre Arbeit zukünftig in enger Anbindung an den Lehrstuhl für Produktionssysteme fortsetzen und so den interdisziplinären Brückenschlag zwischen sozialwissenschaftlicher Arbeitsforschung, Ingenieurwissenschaften und betrieblicher Praxis weiter mitgestalten. Ab August 2025 übernimmt Dr. Fabian Hoose die Geschäftsführung.

Meilensteine der Kooperation

Die Kooperation der Ruhr-Universität Bochum mit Gewerkschaften ergibt sich allein schon aus dem Gründungskontext der ersten Universität der Bundesrepublik im montanindustriellen Ballungsraum des Ruhrgebiets mit großen und machtvollen Gewerkschaftsorganisationen. Nicht nur die IG Metall, die die Hütten- und Stahlarbeiter vertritt, sondern vor allem auch die Industriegewerkschaft Bergbau (IGB) mit Hauptsitz in Bochum, hatten die seit 1957 beginnende Bergbaukrise gewerkschaftspolitisch begleitet. Allein Bochum hatte über 70 Schachtanlagen, zahlreiche Bergbauzulieferer, zum Beispiel Eickhoff, und war damit die bedeutendste Bergbaustadt Deutschlands. 

Die Erwartungen der Gewerkschaften in der ersten industriellen Transformationsphase des Ruhrgebiets waren sehr hoch, dass die neu zu gründende Universität diesen Wandel mit wissenschaftlicher Expertise begleitet, so der ehemalige NRW-Wissenschaftsminister und spätere Ministerpräsident Johannes Rau im Jahr 1985.

Die Kooperation mit Gewerkschaften hat somit das Markenzeichen der RUB „Built to change“ bereits seit über 60 Jahren maßgeblich mitgeprägt. Diese Zusammenarbeit geht weit über den bislang einzigartigen Kooperationsvertrag zwischen dem Rektorat der RUB und dem Vorstand der IGM vom 9. Juli 1975 hinaus und hat in den letzten 50 Jahren zur Gründung zahlreicher Einrichtungen an der RUB geführt, die sich mit arbeitsweltlichen Themen beschäftigten:

Bereits 1960: Drei gemeinsame Positionspapiere der Sozialpartner (Gewerkschafter, Hütten- und Bergwerksdirektoren aus dem Ruhrgebiet), Forderungen nach einem interdisziplinären Institut für Arbeitswissenschaft, wenn es der Gründung einer ersten Universität im Ruhrgebiet kommen sollte.

1961: Beschluss zur Gründung der Ruhr-Universität Bochum
1965: Aufnahme des Lehrbetriebs an der RUB

1971: Eröffnung des IG Metall Bildungszentrums in Sprockhövel (für gewerkschaftliche und allgemeine Erwachsenenbildung)

1972: Bildung des paritätisch zusammengesetzten Arbeitskreises mit Vertretern der RUB und IGM (Beginn der Sprockhöveler Gespräche mit Vertretern der IG Metall und der RUB)

1973: Lehrauftrag für den Leiter des IGM-Bildungszentrums in Sprockhövel an der Fakultät für Sozialwissenschaft (Schwerpunkt Mitbestimmung)

9. Juli 1975: Unterzeichnung des Kooperationsvertrages zwischen dem Rektorat der RUB und dem Vorstand der IGM

1979: Gründung der Gemeinsamen Arbeitsstelle RUB/IGM als Brückeneinrichtung zwischen Wissenschaft (RUB) und Arbeitswelt (IGM) zunächst mit Büros sowohl an der RUB als auch im IGM-Bildungszentrum Sprockhövel (erster Leiter: Dr. Erich Werthebach in enger Zusammenarbeit mit Hans-Helmut Weigmann, langjähriger Dezernent des Rektors)

1979: Gründung des Forschungsinstituts für Arbeit, Partizipation und Bildung (FIAB) in Recklinghausen

1980: Gründung des Instituts zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung (heute: Institut für soziale Bewegungen)

1982: Gründung des Weiterbildungszentrums der RUB (Schulungs- und Weiterbildungsangebote für außeruniversitäre Akteure) (heute: Akademie der RUB)

1985: Gründung des Instituts für Arbeitswissenschaft (nach 25 Jahren wurden die programmatischen Forderungen der Sozialpartner aus dem Jahr 1960 schließlich erfüllt)

1994: Gründung des Lehrstuhls für Organisation und Mitbestimmung an der Fakultät für Sozialwissenschaft (bis heute einzigartiger Lehrstuhl für Mitbestimmung an einer bundesdeutschen Hochschule)

2011 bis 2014: Begleitforschung zur Schließung von Opel-Bochum (Lern- und Forschungsfabrik des Lehrstuhl für Produktionssysteme wird durch den Sozialtarifvertrag zwischen General Motors und der IG Metall gefördert)

2013 bis 2014: Beteiligung der Gemeinsamen Arbeitsstelle am Europäischen Netzwerkprojekt des Schauspielhauses Bochum „This is not Detroit“ (u. a. in England, Polen und Spanien)

2014: Lern- und Forschungsfabrik des LPS in der ehemaligen Fabrik Wollschläger wird zur Vorlage für das Transferkonzeptes „Worldfactory“ der RUB

2015: Aufbau einer Transferforschungslinie zu den Qualifikationsherausforderungen und –bedarfen von Betriebsrät:innen in deutschen Unternehmen (wissenschaftliches Alleinstellungsmerkmal der Gemeinsamen Arbeitsstelle RUB/IGM)

seit 2016: Zertifikatsstudiengänge für Betriebsrätinnen und Betriebsräte „Strategisches Betriebsratsmanagement“ und „Digitale Transformation“ (in Kooperation mit Arbeit und Leben NRW, dem IG Metall Bildungszentrum, der Akademie der RUB, der Gemeinsamen Arbeitsstelle RUB/IGM und dem Lehrstuhl für Produktionssysteme)

2023: Gründung des Netzwerks für Arbeits- und Gewerkschaftsforschung in der Universitätsallianz Ruhr

2023: Gründung der Akademie für Mitbestimmung (an der Akademie der RUB)

2025: IG Metall-Trainees werden in der Lern- und Forschungsfabrik des Lehrstuhls für Produktionssysteme der RUB im Schwerpunkt Arbeit und Technik ausgebildet

Pressekontakt

Prof. Dr. Manfred Wannöffel
Gemeinsame Arbeitsstelle RUB/IGM
Ruhr-Universität Bochum
O - WERK
Suttner-Nobel-Allee 4
44803 Bochum
Tel.: +49 234 32 26899
E-Mail: manfred.wannoeffel@ruhr-uni-bochum.de

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Veröffentlicht

Donnerstag
10. Juli 2025
11:29 Uhr

Von

Manfred Wannöffel
Jens Wylkop (jwy)

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