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Darfur, der schilllernde Konflikt
Vom Darfurkonflikt, bei dem im Westen des Sudan seit 2003 mehrere Hunderttausend Menschen ums Leben gekommen sind, hat jeder schon gehört. Bochumer Forscher vom Institut für Diaspora- und Genozidforschung haben jetzt die Deutung des Konflikts untersucht:
Wie argumentierte das Regime? Was berichteten die Untersuchungskommissionen? Welche Rolle spielten Deutungsmuster bei der politischen Debatte? Sie zeigen, dass das Bild des Konflikts ein sehr schillerndes ist, das durch viele Akteure beeinflusst wurde.
Klimakrieg – aber nur, wo es passt
Ein beliebtes Deutungsmuster in den 2000er-Jahren war der Klimakrieg: ein gewalttätiger Konflikt aufgrund der Folgen der Erderwärmung. Im Zusammenhang mit dem Darfurkonflikt wurde es ab 2006 zwar häufig benutzt, aber fast nur in klimapolitischen Zusammenhängen, stellen die Forscher fest. Ausschließlich die sudanesische Führungsriege bediente sich dieses Musters, um ihre eigene Verantwortung zu kaschieren.
Gescheiterter Staat
Ein anderes Deutungsmuster ist das vom „gescheiterten Staat“, als dessen Musterbeispiel der Sudan schon vor dem Ausbruch des Darfurkonflikts galt. Allerdings ist das Konzept sehr unscharf. Verschiedene Sprecherinnen und Sprecher meinen unterschiedliche Dinge damit und leiten jeweils verschiedene Handlungsempfehlungen ab.
„Akademisch inspirierte Begriffe wie dieser finden schnell Eingang in die Debatte um konkrete Gewaltsituationen und haben das Potenzial, die politische Praxis zu beeinflussen“, stellt Prof. Dr. Mihran Dabag, Leiter des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung, fest. „Sie unterliegen aber einem starken Interpretationsprozess.“ Vage Konzepte, die auf einen vielschichtigen Gegenstand treffen, sorgen für variable Auslegungen.
Vorsicht mit vermeintlich objektiven Berichten
Besonderes Interesse der Forscher galt der Rolle der Untersuchungskommissionen, die vor Ort Informationen über den Konflikt einholen sollten und durch ihre Berichte das Handeln der internationalen Staatengemeinschaft stark beeinflussten.
Der Vergleich der Berichte zweier Kommissionen aus den USA und von den Vereinten Nationen förderte bedeutende Unterschiede zutage: So nennt die US-Kommission die Gewalttaten einen Völkermord, die UN-Kommission nicht. Auch in anderen Punkten wiesen die Berichte extreme Unterschiede auf. „Es ist also Vorsicht geboten im Umgang mit vermeintlich objektiven Berichten solcher Kommissionen“, unterstreicht Mihran Dabag.
Mehr als krude Propaganda
Zudem analysierten die Forscher ein bisher nur sehr wenig erforschtes Feld: die Argumentation des Regimes, das die Verantwortung für die Gewalttaten trägt. Sie konnten zeigen, dass die sudanesische Regierung sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit an international gängigen Deutungsmustern orientierte und damit auch erfolgreich war. So wurde die Gewaltsituation als komplex dargestellt, als Klima- oder Bürgerkrieg von persönlicher Verantwortung entkoppelt.
Um die internationale Gemeinschaft vom Eingreifen abzuhalten, warnte das Regime vor unbeabsichtigten Nebenwirkungen solcher Interventionen. „Die Rhetorik des Regimes ist keine krude Propaganda“, so Dabag, „man passt sich dem jeweiligen Adressaten an, und das erfolgreich.“ Die Verlautbarungen der Arabischen Liga zum Beispiel ähneln stark denen des sudanesischen Regimes.
Das Projekt wurde von der Gerda-Henkel-Stiftung gefördert.
Prof. Dr. Mihran Dabag
Dr. Philipp Kuntz
Institut für Diaspora- und Genozidforschung
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 29702
E-Mail: idg@rub.de
9. September 2016
14.32 Uhr