Warum das Gehirn bestimmte Düfte auf besondere Weise abspeichert, haben Bochumer Neurowissenschaftlerinnen untersucht.
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Neurowissenschaft Wie aus Gerüchen Langzeiterinnerungen werden

Der Duft von Omas Weihnachtsplätzchen oder das Parfüm des ersten Schwarms – manche Gerüche sind wie ein Schlüssel zu einer Tür in die Vergangenheit.

Welche Bereiche des Gehirns dafür verantwortlich sind, dass ein Geruch als Langzeiterinnerung abgespeichert wird, haben die Bochumer Neurowissenschaftlerinnen Dr. Christina Strauch und Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan untersucht. Manche Düfte können Erinnerungen an lange zurückliegende Erlebnisse triggern. Die aktuelle Studie zeigt, dass der piriforme Kortex, ein Teil des Riechhirns, am Abspeichern dieser Erinnerungen beteiligt ist; allerdings funktioniert der Mechanismus nur im Zusammenspiel mit anderen Hirnregionen. Die Ergebnisse berichtet das Team der Ruhr-Universität Bochum in der Fachzeitschrift Cerebral Cortex.

„Es war bekannt, dass der piriforme Kortex dazu in der Lage ist, kurzzeitig Dufterinnerungen zu speichern. Wir wollten wissen, ob es dort auch Langzeiterinnerungen gibt“, sagt Christina Strauch, Abteilung für Neurophysiologie.

Künstliche Sinneswahrnehmung durch Stimulation

Die synaptische Plastizität ist für das Abspeichern von Erinnerungen in Gedächtnisstrukturen des Gehirns verantwortlich. Dabei verändert sich die Erregbarkeit von Nervenzellen. Strauch und Manahan-Vaughan untersuchten an Ratten, ob der piriforme Kortex zu synaptischer Plastizität fähig ist und ob die Effekte über mehr als vier Stunden bestehen bleiben; erst dann spricht man von einer Langzeiterinnerung.

Um eine Geruchserinnerung zu erzeugen, lösten die beiden Forscherinnen durch elektrische Impulse im Gehirn künstlich eine Sinneswahrnehmung aus. Sie verwendeten unterschiedliche Stimulationsprotokolle, die sich in der Frequenz und Intensität der Pulse unterschieden. Bekannt war, dass diese Protokolle Langzeiteffekte im Hippocampus bewirken können, einem Hirnareal, das für die Bildung des Langzeitgedächtnisses zuständig ist. Im piriformen Kortex hingegen löste die Stimulation zunächst keine Speicherung von Langzeitinformationen aus.

Signal aus übergeordneten Regionen erforderlich

Die Forscherinnen führten einen weiteren Versuch durch, bei dem sie nicht den piriformen Kortex selbst stimulierten, sondern eine übergeordnete Gehirnregion, den orbitofrontalen Kortex, der für Aufgaben wie das Unterscheiden sensorischer Erlebnisse zuständig ist.

Durch die Stimulation dieses Bereichs entstanden tatsächlich die gewünschten Veränderungen im piriformen Kortex. „Unsere Studie zeigt, dass der pirifiorme Kortex sehr wohl als Archiv für Langzeiterinnerungen dienen kann, allerdings muss er erst vom orbitofrontalen Kortex – als übergeordneter Hirnregion – ein Signal bekommen, dass ein Ereignis als Langzeiterinnerung abgespeichert werden soll“, erklärt Strauch.

Förderung

Die Studie wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 874 an der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt. Der interdisziplinäre Forscherverbund wird seit 2010 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und arbeitet an der Frage, wie Sinneseindrücke im Gehirn zu komplexem Verhalten und Gedächtnis verarbeitet werden.

Originalveröffentlichung

Christina Strauch, Denise Manahan-Vaughan: In the piriform cortex, the primary impetus for information encoding through synaptic plasticity is provided by descending rather than ascending olfactory inputs, Cerebral Cortex, 2017, DOI: 10.1093/cercor/bhx315

Pressekontakt

Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan
Abteilung für Neurophysiologie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 22042
E-Mail: denise.manahan-vaughan@rub.de

Veröffentlicht

Montag
18. Dezember 2017
09:22 Uhr

Von

Judith Merkelt-Jedamzik

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