Physik Maßgeschneiderte Eigenschaften erlauben Einblicke in Quantenpunkte
Eines Tages könnten Quantenpunkte die Informationseinheit für Quantencomputer bilden. Noch gibt es viel über sie zu erforschen.
Forscher der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Duisburg-Essen haben neue Erkenntnisse über Quantenpunkte gewonnen. Dabei handelt es sich um kleine Inseln in Halbleitern, in die sich einzelne Elektronen einsperren lassen. Sie könnten eines Tages die Informationseinheiten in Quantencomputern bilden. Durch fein justiertes Einstellen der Halbleiter-Eigenschaften erzeugten die Physiker besondere langlebige Energiezustände im Inneren der Quantenpunkte, die normalerweise zu instabil sind, um vermessen zu werden. Die Ergebnisse sind in „Physical Review B“ vom 15. Januar 2018 veröffentlicht. Den Beitrag zeichnete die Zeitschrift als Highlightartikel aus.
Für die Studie kooperierte ein Forscherteam um Dr. Arne Ludwig vom Bochumer Lehrstuhl für Angewandte Festkörperphysik mit Prof. Dr. Björn Sothmann von der Universität Duisburg-Essen im Rahmen des Materials-Chain-Forschungsverbundes der Universitätsallianz Ruhr.
Elektronen besetzen bestimmte Energieniveaus
Quantenpunkte sind rund zehn Nanometer groß. Aufgrund ihrer geringen Ausdehnung ist die Bewegung der Elektronen im Inneren räumlich stark eingeschränkt. Dadurch kann die Energie in einem Quantenpunkt nicht kontinuierliche Werte haben; stattdessen nehmen die Elektronen nur ganz bestimmte Energieniveaus ein – ähnlich wie in Atomen, in denen die Elektronen bestimmte Schalen besetzen.
Normalerweise befindet sich ein Quantenpunkt im thermodynamischen Gleichgewicht; das heißt, die enthaltenen Elektronen besetzen die verfügbaren Energiezustände nacheinander vom niedrigsten zum höchsten. Mithilfe der sogenannten Kapazitäts-Spannungs-Spektroskopie lassen sich diese Energieniveaus messen. Zustände im Nichtgleichgewicht – in denen die Elektronen also die normalen Regeln für die Besetzung der Energieniveaus nicht befolgen – konnten mit dieser Methode bislang nicht detektiert werden. Genau das gelang nun dem Team aus Duisburg-Essen und Bochum.
„Nichtgleichgewichtsprozesse sind für das Maßschneidern von Materialien für bestimmte technische Anwendungen sehr nützlich“, erklärt Prof. Dr. Andreas Wieck, Koautor und Leiter des Lehrstuhls für Angewandte Festkörperphysik. „Sie können aber auch fatal sein. Daher sind Kenntnisse über die Erzeugung und Kontrolle dieser Prozesse wichtig.“
Paare aus Elektronen und Elektronenlöchern erzeugt
Entscheidend war, die instabilen Nichtgleichgewichtszustände lang genug am Leben zu halten, um sie messen zu können. Für ihre Versuche stellten die Forscher Quantenpunkte in einem Halbleiter mit fein justierten Materialeigenschaften her. In den Quantenpunkten erzeugten sie Paare aus Elektronen und Löchern, wobei Letztere durch das gezielte Entfernen einzelner Elektronen entstehen und im Festkörper als Antiteilchen der Elektronen angesehen werden können. Treffen Elektron und Loch aufeinander, löschen sie sich gegenseitig aus. Die dabei frei werdende Energie wird in Form eines Photons, also eines einzelnes Lichtteilchens, abgestrahlt.
Das umgekehrte Phänomen nutzten die Forscher für die Herstellung der Elektronen-Loch-Paare: Sie bestrahlten den Quantenpunkt mit Licht, was im Inneren Elektronen und Löcher entstehen ließ.
Nichtgleichgewichtszustände vermessen und im Modell beschrieben
Die Materialstruktur der Quantenpunkte und ihrer Umgebung hatten die Physiker so maßgeschneidert, dass sie mit den Elektronenlöchern nun gezielt einzelne Elektronen auslöschen konnten. Dabei blieben Elektronen im Nichtgleichgewichtszustand übrig, also solche Elektronen, die untypische Energieniveaus besetzen. Diese Zustände vermaß das Team mit der Kapazitäts-Spannungs-Spektroskopie. Ergänzend zu den Experimenten erstellten die Wissenschaftler ein Modell, das die Messungen der Nichtgleichgewichtszustände theoretisch beschreibt.
„Die experimentellen Ergebnisse als Nichtgleichgewichtsphänomene zu interpretieren, lag auf der Hand“, sagt der Bochumer Erstautor Sascha Valentin. „Ein physikalisches Modell zu entwickeln, bedeutete allerdings größere Klimmzüge, die nur mithilfe unserer theoretisch arbeitenden Kollegen zu bewältigen waren.“
„Überraschenderweise haben wir dabei auch herausgefunden, dass ein etabliertes Modell, welches die Dynamik der Vermessung von Gleichgewichtsprozessen beschreibt, korrigiert werden muss“, ergänzt Arne Ludwig.