Neurowissenschaft Was transkranielle Magnetstimulation im Gehirn bewirkt
Das Verfahren ermöglicht eine Reorganisation der Verbindungen zwischen Nervenzellen, die für Therapien nützlich sein kann.
Neue Erkenntnisse, wie transkranielle Magnetstimulation (TMS) auf Verschaltungen von Nervenzellen wirkt, haben Forscher der Ruhr-Universität Bochum gewonnen. Sie nutzten fluoreszierende Farbstoffe, die Auskunft über die Aktivität von Nervenzellen geben. Am Beispiel von kortikalen Karten zeigten sie im Tiermodell, dass TMS-Stimulation Nervenzellverbindungen in der Sehrinde des Gehirns empfänglicher für Reorganisationsprozesse macht.
TMS wird zur Therapie verschiedener Erkrankungen des Gehirns wie Depressionen, Alzheimer oder Schizophrenie angewandt; die genaue Wirkweise ist bislang jedoch wenig erforscht. Die aktuellen Ergebnisse beschreibt ein Team um Privatdozent Dr. Dirk Jancke vom Bochumer Optical Imaging Lab in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, kurz PNAS, vom 4. Juni 2018.
Auswirkung auf kortikale Karten in der Sehrinde untersucht
Das Team untersuchte, wie sich eine TMS-Stimulation auf sogenannte Orientierungskarten im visuellen Teil des Gehirns auswirkt. Diese Karten sind zum Teil genetisch festgelegt, aber auch durch die Interaktion mit der Umwelt geprägt. Die Sehrinde enthält zum Beispiel eine kortikale Karte für Reize mit kontrastreichen Kanten bestimmter Orientierungen, die gewöhnlich die Grenzen von Objekten markieren. Bestimmte Zellen antworten bevorzugt auf Reize mit einer bestimmten Orientierung, wobei ähnliche Winkel in nebeneinanderliegenden Hirnbereichen verarbeitet werden.
Für die Studie verwendeten die Forscher hochfrequente TMS und verglichen, wie Nervenzellen vorher und nachher auf Bildreize mit einer bestimmten Kantenorientierung reagierten. Das Ergebnis: Die Nervenzellen antworteten nach der Magnetstimulation variabler; die Präferenz für einen bestimmten Winkel war also nicht mehr so stark ausgeprägt wie vor der TMS. „Man könnte sagen, die Nervenzellen waren nach der TMS-Behandlung für eine Weile unentschlossener und damit offen für neue Aufgaben“, veranschaulicht Dirk Jancke. „Die Behandlung öffnet so ein Zeitfenster für plastische Prozesse.“
Kurzes visuelles Training verändert Karten
Speziell analysierte das Team, wie sich ein passives visuelles Training nach einer TMS-Behandlung auswirkt. Eine nur 20-minütige Stimulation mit Bildreizen einer bestimmten Kantenorientierung führte dazu, dass sich die Gehirnbereiche vergrößerten, deren Zellen bevorzugt auf den präsentierten Kantenwinkel reagieren. „Die Karte in der Sehrinde hat sich innerhalb kurzer Zeit dem neuen Informationsgehalt der visuellen Stimulation angepasst“, sagt Jancke.
„Ein solches Verfahren, also ein gezieltes sensorisches oder motorisches Training nach Anwendung von TMS, könnte daher ein möglicher Ansatz für therapeutische Maßnahmen und auch für bestimmte Formen sensomotorischen Trainings sein“, erklärt Dirk Jancke.
Wirkweise der Methode schwer zu untersuchen
Die transkranielle Magnetstimulation ist ein nicht invasives und schmerzfreies Verfahren, bei dem eine Magnetspule über dem Kopf positioniert wird. Der gewählte Gehirnbereich kann dann über Magnetwellen gezielt gehemmt oder aktiviert werden. Bislang ist wenig über die Wirkung des Verfahrens auf Zellebene bekannt, weil das starke Magnetfeld der TMS die Signale anderer Methoden überlagert, mit denen Forscher die Auswirkungen der TMS beobachten könnten. Messverfahren mit hoher zeitlicher Auflösung wie das EEG werden durch den Magnetpuls gestört. Andere Verfahren, wie die funktionelle Kernspintomografie, sind zudem nicht schnell genug und haben eine zu geringe räumliche Auflösung.
Um die Gehirnaktivität nach TMS-Anwendung zu messen, nutzt Janckes Team spannungsabhängige Farbstoffe. Diese werden in den Membranen der Nervenzellen verankert. Wird die Zelle erregt, fluoreszieren die Moleküle. Lichtsignale geben somit Aufschluss über die Aktivität von Zellen.