Physik Licht-Materie-Wechselwirkung auf Quantenebene
Forschern ist es gelungen, Licht und Materie auf Quantenebene miteinander zu verschmelzen und den Austausch einzelner Energiequanten zu beobachten.
In einem Quantencomputer könnten Informationen in bestimmten Materiestrukturen, den sogenannten Quantenpunkten gespeichert werden. Um die Information auch über gewisse Strecken zum Beispiel durch Glasfaserkabel transportieren zu können, muss sie von Materie auf Licht übertragen werden. In der Fachzeitschrift „Nature“ beschreiben Forscher eine solche Licht-Materie-Schnittstelle. Die Ergebnisse wurden online am 21. Oktober 2019 veröffentlicht. Für die Arbeiten kooperierten Teams der Universität Basel, der Ruhr-Universität Bochum und der Université de Lyon.
Quantenbits aus Licht und Materie
Quantenpunkte lassen sich in Halbleitern realisieren, indem Forscher zum Beispiel ein Elektron in einem sehr begrenzten Bereich einsperren. Das Team um Dr. Arne Ludwig und Prof. Dr. Andreas Wieck vom Bochumer Lehrstuhl für Festkörperphysik ist auf die Herstellung dieser Strukturen spezialisiert. Die Informationseinheiten in einem solchen System werden als Quantenbits oder kurz Qubits bezeichnet. „Neben Materie-Qubits haben wir in unserem Experiment auch fliegende Qubits in Form von Photonen erzeugt“, sagt Arne Ludwig. Die Wissenschaftler koppelten Licht und Materie so aneinander, dass Informationen von Materie auf Licht und zurück auf Materie übertragen werden können.
Zu diesem Zweck schlossen sie den Quantenpunkt in einen winzigen Hohlraum ein, dessen Wände Licht höchsteffizient reflektieren. An der Universität Basel regten die Forscher um Dr. Daniel Najer und Prof. Dr. Richard Warburton die Materie im Quantenpunkt an, indem sie ein Photon mit einer bestimmten Wellenlänge einstrahlten. Dieses wird von dem Quantenpunkt absorbiert; das Photon verschwindet also, aber die Materie ist nun in einem höherenergetischen Zustand. Der Anregungszustand kann dann von der Materie auf ein Photon im Hohlraum übertragen werden. Die Energie geht also von der Materie auf das Photon über. Der umgekehrte Weg ist auch wieder möglich: Trifft ein Photon auf den Quantenpunkt, kann das Photon absorbiert werden und der Quantenpunkt dadurch selbst wieder in den angeregten Materiezustand zurückkehren.
Hohlraum wird durch Spiegel definiert
„Das geschieht allerdings nicht jedes Mal, wenn ein Photon mit der richtigen Wellenlänge am Quantenpunkt vorbeikommt“, erklärt Arne Ludwig. Die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhten die Forscher durch den Hohlraum, der den Quantenpunkt umschließt. Er hält die Photonen gefangen und wirkt als Resonator. „Die Wände des Hohlraums kann man sich wie Spiegel vorstellen, die das Photon immer wieder hin- und zurückwerfen“, vergleicht Ludwig. „Dabei kommt es immer wieder am Quantenpunkt vorbei, der es irgendwann absorbiert.“
Das Besondere: Normale Spiegel schaffen es, ein Photon etwa 100-mal hin- und herzuwerfen. Der Halbleiterspiegel, den die ehemaligen Bochumer Doktoranden Sascha Valentin und Dr. Rüdiger Schott für die vorliegende Arbeit erzeugten, schafft 100.000 Reflexionen. Den Hohlraum können die Bochumer und Baseler Forscher dabei so einstellen, dass er Photonen mit exakt der Wellenlänge oszillieren lässt, die für die Kommunikation mit dem Quantenpunkt gebraucht werden.
Überlagerte Zustände aus Licht und Materie
„Da das Licht im Hohlraum sehr lange gefangen bleibt, passiert etwas quantenmechanisch sehr Interessantes“, beschreibt Arne Ludwig. „Vereinfacht gesagt wird das Photon immer wieder von der Materie absorbiert und emittiert. Realistischer ausgedrückt müssen wir aber von einer Überlagerung der Zustände sprechen: Das Photon ist gleichzeitig da und nicht da. Wir sehen also eine Verschmelzung zwischen den Zuständen Licht und Materie.“
Die Wahrscheinlichkeit für die Anwesenheit des Photons konnten die Forscher messen; sie oszillierte mit einer bestimmten Frequenz. Die experimentell bestimmte Frequenz entsprach dabei genau der, die sich durch Berechnungen aus der Theorie der Quantenelektrodynamik (QED) ergibt. Die Messungen erbrachten somit einen Beweis dafür, dass die QED präzise Vorhersagen macht.
Schrödingers Katze
Die Zustände „Photon da“ und „Photon weg“ – oder anders ausgedrückt die Zustände Licht und Materie – wechselten sich in dem System aber nicht einfach ab, sondern sie gingen kontinuierlich ineinander über. „Erst beim Messen stellen wir fest, dass sich das System entschieden hat, entweder Licht oder Materie zu sein“, erklärt Arne Ludwig. „Es ist genau wie mit Schrödingers Katze aus dem etwas abstrusen Gedankenexperiment: Erst wenn man in die Box mit der Katze hineinschaut, weiß man, ob sie tot oder lebendig ist – vorher ist sie beides.“
Anwendungspotenzial in Quantencomputern
„Uns ist es gelungen, die Experimente mit Photonen mit optischen Frequenzen durchzuführen, nicht wie früher mit Photonen im Mikrowellenbereich“, sagt Daniel Najer. „Das bedeutet, dass wir Quanteninformationen mittels Photonen über weite Entfernungen übertragen können und Rechenoperationen potenziell viel schneller durchführen könnten.“