Mittels VR-Brille können die Untersucher ins Gespräch mit den Avataren einsteigen.
© Roberto Schirdewahn

Psychiatrie Psychisch kranke Avatare

Im Frühjahr 2020 sollen die Avatare erste Gehversuche machen. Medizinstudierende können mit ihnen Untersuchungsgespräche üben.

Medizinstudierende der Ruhr-Universität Bochum (RUB) werden künftig die Möglichkeit haben, psychiatrische Untersuchungsgespräche mit Avataren zu führen. „Das ermöglicht es ihnen, mit Patienten aller Krankheitsbilder und Schweregrade zu üben und das Panorama zu erweitern“, erklärt Projektleiterin Privatdozentin Dr. Paraskevi Mavrogiorgou von der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin. Ausgestattet mit einer Virtual-Reality-Brille werden die Studierenden diese Avatare in einem dreidimensionalen Raum zur Untersuchung – die Experten sagen Exploration – treffen können. Die Klinik plant den Einsatz der Avatare ab Sommersemester 2020.

Der ganze Körper spricht

Bei der Diagnostik psychischer Erkrankungen kommt es nicht nur darauf an, was ein Patient oder eine Patientin dem Untersuchenden im Gespräch antwortet. Es geht auch darum, wie er oder sie das tut: Wie klingt die Stimme? Sieht die Person ihrem Gegenüber in die Augen? Wie ist die Körperhaltung? Tigert er oder sie ruhelos herum? Ist das Gesicht versteinert oder lebendig? „All diese Dinge beobachtet und bewertet eine erfahrene Ärztin oder ein erfahrener Arzt im Gespräch mit dem Patienten – das können Mimikveränderungen im Millisekundenbereich sein“, beschreibt Paraskevi Mavrogiorgou.

International die ersten

Medizinstudierende müssen das lernen, was nicht immer einfach zu bewerkstelligen ist. „Im Universitätsklinikum sehen wir vor allem schwerkranke Patienten“, sagt die Ärztin. „Sie zu motivieren, am Unterricht mit Studierenden teilzunehmen, ist schwierig. Und es sind nicht die Patienten, die die angehenden Ärzte in ihrer Berufspraxis wahrscheinlich häufig sehen werden.“ Die Avatare sollen für Abhilfe sorgen. „Das hat international unseres Wissens noch niemand gemacht, damit sind wir die ersten“, sagt Prof. Dr. Georg Juckel, Ärztlicher Direktor der Klinik.

Zwei bis drei Jahre dauerten die vorbereitenden Arbeiten, jetzt geht es darum, die virtuellen Personen inhaltlich zu bestücken. „Sie brauchen eine Biografie, eine Vorgeschichte“, erklärt Paraskevi Mavrogiorgou. „Und sie müssen in der Lage sein, gemäß ihrer psychischen Erkrankung auf bestimmte Schlüsselfragen zu antworten.“ Hunderte Seiten Anweisungen für Dialoge existieren bereits.

Jede Mimikbewegung wird einzeln gestaltet

Um die Avatare auch körperlich überzeugend darstellen zu können, wollen die Mediziner mit einer kommerziellen Firma zusammenarbeiten, die auf Visualisierungen unter anderem im Medizinbereich spezialisiert ist. Je nachdem, was die Avatare für psychische Probleme repräsentieren, soll auch ihre Körpersprache angepasst werden. Sie können im Gespräch sitzen, stehen, liegen oder herumlaufen. Auch ihre Mimik soll dem geübten Beobachter Aufschluss über die zugrundeliegende Erkrankung geben können. „Jede dieser Mimikbewegungen muss der Programmierer einzeln gestalten“, verdeutlicht Georg Juckel den enormen Aufwand. „Es ist wie früher bei den Trickfilmen von Walt Disney und jetzt bei den Computerspielen.“

Das Projektteam rechnet damit, dass die Avatare im Frühjahr 2020 erste Gehversuche machen. Im Sommersemester 2020 könnten die ersten Studierenden in Gespräche mit ihnen einsteigen.

Ausführlicher Beitrag in Rubin

Einen ausführlichen Beitrag zu dem Thema finden Sie im Wissenschaftsmagazin Rubin. Texte auf der Webseite und Bilder aus dem Downloadbereich dürfen unter Angabe des Copyrights für redaktionelle Zwecke honorarfrei verwendet werden.

Pressekontakt

Prof. Dr. Georg Juckel
Direktor der Klinik für
Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin
LWL-Universitätsklinikum Bochum
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 5077 1100
E-Mail: georg.juckel@rub.de

Veröffentlicht

Mittwoch
11. September 2019
09:18 Uhr

Von

Meike Drießen

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