Buchveröffentlichung Kirchengeschichte aus ungewöhnlichen Perspektiven
Anhand von Gegenständen beleuchtet ein neues Sachbuch die Geschichte des Bistums Essen und lädt Leserinnen und Leser zum Mitmachen ein.
Aus ganz verschiedenen Blickwinkeln beschreiben 29 Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen die Geschichte des Bistums Essen: anhand von Gegenständen, vom kleinen RuhrWort-Kugelschreiber bis zur Nikolaus-Groß-Kapelle. „Damit möchten wir zeigen, dass es nicht die eine allgemeingültige Geschichte gibt, sondern dass diese immer vom Betrachter abhängt“, erklärt Prof. Dr. Florian Bock, der gemeinsam mit Miriam Niekämper und Lea Torwesten von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum sowie Dr. Sebastian Eck, Kustos an der Universität Duisburg-Essen, das Buch „Geschichte(n) des Bistums Essen in 30 Objekten“ herausgegeben hat. Es ist Mitte Oktober 2021 im Aschendorff Verlag erschienen.
Von PANINI-Sammelbildern, Grubenlampen und „Geiz ist gottlos!“-T-Shirts
Das wissenschaftlich fundierte Werk verbindet Objektgeschichte(n) mit der Bistumsgeschichte und richtet sich sowohl an Fachleute als auch an interessierte Laien. „Es ist uns wichtig, dass sich Besucher und Gläubige, die ihr Christsein hier im Bistum leben, in dem Buch wiederfinden“, erläutert Florian Bock. Dazu soll auch die Vielfalt der ausgewählten Objekte beitragen.
So finden sich im Buch unter anderem Alltagsgegenstände wie das PANINI-Sammelbild der Goldenen Madonna, aber auch Symbole für das (christliche) Zusammenleben und Zusammenhalten, wie die Jubiläums-Grubenlampe der „Gemeinsamen Sozialarbeit der Konfessionen im Bergbau“ und das Dialogkreuz: ein Metallkreuz, das als Symbol häufig im Zentrum wichtiger Zusammenkünfte zur Entwicklung des Bistums Essen stand und steht.
Aus einer ganz besonderen Werbeaktion für die Weihnachtskollekte stammt das „Geiz ist gottlos!“-T-Shirt des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. Es sollte auch jüngere Menschen zum Spenden motivieren. Über die Grenzen des Bistums Essen hinaus, das Teile des Ruhrgebiets und des Sauerlands gleichermaßen umfasst, war und ist das Liederbuch Halleluja beliebt. Sein Inhalt war speziell an die Bedürfnisse der Gemeindemitglieder angepasst worden.
Lesende können ihre eigenen Geschichten erzählen
„Wir haben uns sehr viel Mühe beim Aussuchen der Objekte gegeben“, sagt Lea Torwesten. Trotzdem zeigen diese natürlich nur einen kleinen Ausschnitt der Geschichte(n). „Deshalb laden wir die Leser ein, uns Erzählungen über Objekte aus der Diözese aus ihrer eigenen Perspektive zu schicken“, erklärt Florian Bock.
Diese sollen dann auf einer extra dafür eingerichteten interaktiven Sammelplattform veröffentlicht werden, auf der die Möglichkeit besteht, sowohl Objektbeschreibungen als auch Fotos hochzuladen und sich anzusehen. „Dass es nach dem Buch noch weitergeht, entspricht unserem Verständnis, dass Geschichte zur Zukunft hin offen ist“, erklärt Sebastian Eck.
Querlesen erwünscht
Eine Besonderheit des Schriftstückes ist sein Aufbau, wie Lea Torwesten erklärt: „Man kann das Buch nicht nur von vorne nach hinten lesen. Jedes beschriebene Objekt steht mit mindestens einem anderen Objekt in Verbindung“. Diese Verbindungen stehen als Verweise im Buch. „Unsere Verweisstruktur funktioniert wie ein zweites Inhaltsverzeichnis, das den Leser an die Hand nimmt und mit ihm von einem Objekt zum anderen springt“, verdeutlicht Sebastian Eck.
Gemeinsame Sozialarbeit der verschiedenen Konfessionen
Was macht das Bistum Essen so besonders? Und wodurch wird es im Innersten zusammengehalten? Diese zentralen Fragen werden von den Autorinnen und Autoren, die aus allen Teilen des Ruhrgebietes stammen und unter denen sich Medienschaffende, Museumspädagogen und Mitarbeitende der Diözese befinden, sehr vielschichtig beantwortet. Eine Besonderheit nennt Miriam Niekämper: „Schon vor der Gründung des Bistums und auch später haben sich viele Laien in Verbänden oder Orden sehr stark sozial engagiert.“
Sebastian Eck ergänzt: „Der Katholizismus im Bistum Essen ist allein aufgrund seiner Entstehungsgeschichte und der gesellschaftlichen Situation hier im Ruhrgebiet von Anfang an sehr plural. Die Menschen der unterschiedlichen Konfessionen haben sehr eng nebeneinander gewohnt und auch in der Sozialarbeit miteinander kooperiert.“ Zudem ist das Ruhrbistum aus drei verschiedenen Diözesen zusammengesetzt. Diese Vielfältigkeit, die das Bistum ausmache, spiegele sich auch in der Auswahl der Objekte und Autoren wider.
Experimentierfeld für das Zusammenleben
„In diesem Bistum sind Dinge viel früher und moderner gelaufen als woanders. Das hier war immer eine Reformdiözese, ein Experimentierfeld“, erklärt Florian Bock. So könne man auch das Zusammenleben der evangelischen und katholischen Christen an der Ruhr bezeichnen. „Wichtig für das 21. Jahrhundert ist, dass die Solidarität, die als christlicher Wert vielleicht auch als besonderes Merkmal für den Katholizismus an der Ruhr steht, weiter fortgeführt wird – auch wenn wir immer weniger Christen und Christinnen werden“, betont Florian Bock.