Biologie Lücke in der Zellatmung macht Schlauchpilze unfruchtbar
Wenn der Pilz für die Zellatmung Umwege gehen muss, fehlt ihm die Energie zum Aufbau von Fruchtkörpern.
Die Bildung von Fruchtkörpern zur sexuellen Fortpflanzung ist ein zentraler Entwicklungsprozess bei Pilzen. Obwohl in den letzten Jahrzehnten mittels genetischer Verfahren eine Vielzahl von Faktoren identifiziert werden konnte, die in diesen Prozess involviert sind, fehlt das Verständnis über die Regulation der Entstehung verschiedener Zelltypen. Neue Einblicke hat ein Forschungsteam aus Bochum und Frankfurt durch Untersuchungen an einem genetisch veränderten Schlauchpilz gewonnen, der unfruchtbar ist. Die Mutante ist in ihrer Atmungskette beeinträchtigt, sodass ihr die Energie zur Ausbildung von Fruchtkörpern fehlt. Die Forschenden berichten in der Cover-Story der Oktober-Ausgabe des Journal of Fungi.
Über 100 Mutanten
Ein Modellsystem für die Erforschung der Fruchtkörper-Entwicklung in Schlauchpilzen – sogenannten filamentös wachsenden Ascomyceten – ist Sordaria macrospora. Mittels klassischer Mutagenese wurden für diesen Pilz in den 1990er-Jahren über 100 Entwicklungsmutanten erzeugt.
Privatdozentin Dr. Ines Teichert vom Arbeitskreis Allgemeine und Molekulare Botanik an der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat in Kooperation mit Dr. Andrea Hamann und Prof. Dr. Heinz D. Osiewacz von der Goethe-Universität Frankfurt eine solche Mutante untersucht: Die sogenannte pro34-Mutante bildet im Gegensatz zum Wildtyp-Stamm keine reifen Fruchtkörper und keine sexuellen Sporen und zeigt außerdem ein verlangsamtes Wachstum. Durch Genom-Sequenzierung konnte eine größere Lücke in einem Gen identifiziert werden, welches die Forscher mit pro34 bezeichneten. Im Wildtyp-Stamm ist dieses Gen während der Fruchtkörperbildung von RNA-Edierung betroffen, das heißt, es entsteht zu diesem Zeitpunkt eine neue Variante der RNA und des Proteins, die möglicherweise eine spezifische Funktion besitzt.
Defekt zu kompensieren kostet Energie
Was aber ist überhaupt die Funktion von PRO34? „Mittels Fluoreszenzmikroskopie konnten wir PRO34 in den Mitochondrien lokalisieren“, erklärt Ines Teichert. Diese Zellorganellen beinhalten die Atmungskette, eine Reihe von Proteinkomplexen, die vereinfacht gesagt der Energie-Erzeugung in Form von Adenosintriphosphat (ATP) dient. In der Mutante fehlt einer dieser Komplexe. Die Mutante ist trotzdem lebensfähig, denn: Pilze wie auch Pflanzen besitzen verschiedene alternative Wege in der mitochondrialen Atmungskette, um solche Defekte auszugleichen. „Diese Kompensation reicht allerdings nicht aus, um den hohen Energiebedarf während der Fruchtkörperbildung zu decken, und so bleibt die Mutante steril“, sagt Ines Teichert.
Eine überraschende Feststellung war, dass in der pro34-Mutante auch die sogenannte alternative Oxidase (AOX) aktiviert wird. „AOX kompensiert bisherigen Erkenntnissen zufolge eigentlich andere Defekte, und muss daher noch zusätzliche Funktionen erfüllen“, sagt Ines Teichert. Die Autoren spekulieren über eine Schutzfunktion der AOX gegen oxidativen Stress, da bei einem Defekt in der mitochondrialen Atmungskette vermehrt Sauerstoff-Radikale gebildet werden. „Es könnte auch sein, dass AOX beim Zusammenbau bestimmter Komplexe der Mitochondrien hilft“, meinen die Autoren. „Die pro34-Mutante ist damit ein exzellenter Ausgangspunkt für weitere Analysen.“