Science-Publikation Neues Syntheseverfahren für die nachhaltige Nutzung kleiner Moleküle

Das Bochumer Reaktionsprinzip kommt ohne teure und gifte Metalle aus. Zudem lässt sich damit eine chemische Verbindung erzeugen und weiterverarbeiten, die bislang nur als flüchtiger Übergangszustand bekannt war.

Forschende der Ruhr-Universität Bochum haben einen neuen Syntheseweg gefunden, mit dem sie eine besondere organische Verbindung aus dem einfachen Molekül Kohlenmonoxid (CO) herstellen können: sogenannte anionische Ketene. Diese waren bislang nur als reaktive Zwischenstufe bekannt, konnten aber nicht weiter genutzt werden. Die Bochumer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erzeugten anionische Ketene, die so stabil waren, dass sie sie isolieren konnten. Anders als bei bisherigen Verfahren, mit denen sich höherwertige Verbindungen aus einfachen Molekülen herstellen lassen, waren dafür keine teuren oder giftigen Metalle erforderlich.

Mike Jörges, Felix Krischer und Prof. Dr. Viktoria Däschlein-Gessner vom Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation (RESOLV) beschreiben die Ergebnisse in der Zeitschrift Science vom 22. Dezember 2022.

„Kleine Moleküle wie Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid oder Kohlenmonoxid fallen häufig als Nebenprodukte großtechnischer Verfahren an oder sind aus nachwachsenden Rohstoffen einfach zugänglich“, erklärt Däschlein-Gessner. „Weil sie leicht verfügbar sind, sind sie als Synthesebausteine interessant, um zentrale Ausgangsstoffe oder komplexe Wirkstoffmoleküle zu gewinnen. Es ist ein besonders attraktiver Weg für die Entwicklung nachhaltiger Syntheseverfahren.“

Umsetzung ohne Übergangsmetalle

Um die kleinen Moleküle zu aktivieren und zu komplexeren Verbindungen umzusetzen, sind in der Regel bestimmte Metalle erforderlich, die aufgrund ihrer Position im Periodensystem als Übergangsmetalle bezeichnet werden – sie befinden sich in den Nebengruppen des Periodensystems. Häufig handelt es sich dabei um die wenig verfügbaren und teils auch giftigen Edelmetalle. Bis heute gibt es nur wenige Verbindungen der breit verfügbaren Hauptgruppenelemente, die in der Lage sind, kleine Moleküle zu aktivieren. Das gilt auch für Kohlenmonoxid. Außerdem sind Reaktionen mit CO als Baustein bislang wenig selektiv gewesen: Neben den gewünschten höherwertigen Verbindungen entstanden stets auch unerwünschte Nebenprodukte.

Die Forschenden vom Lehrstuhl für Anorganische Chemie II der Ruhr-Universität Bochum nutzten nun einfache Phosphorverbindungen, Ylide genannt, in Verbindung mit Natrium- oder Kaliumbasen. Diese ermöglichten eine bisher unbekannte übergangsmetallartige Reaktionsweise der Kohlenstoffverbindungen und damit den effizienten Einbau von CO in größere Moleküle – und das mit hoher Selektivität.

Wie im Baukastensystem

„Die Selektivität der Umsetzungen ist beeindruckend hoch, vor allem im Vergleich zu anderen Synthesemethoden“, resümiert Viktoria Däschlein-Gessner. „Das liegt an der Stabilität der Anionen, die auf ihre besondere elektronische Struktur zurückgeführt werden kann. Sie lassen sich gezielt mit weiteren Molekülen wie in einem Baukastensystem umsetzen, sodass man schnell unterschiedliche, komplexe Strukturen aufbauen kann.“

Das Reaktionsprinzip und das Potenzial der anionischen Ketene will die Bochumer Gruppe nun weiter untersuchen. „Die Reaktionsweise der Phosphorverbindungen ist wegweisend, um weitere Verfahren zu entwickeln, mit denen sich Synthesebausteine wie CO nutzen lassen“, sagt Däschlein-Gessner. „Wir sind uns außerdem sicher, dass die anionischen Ketene ein noch viel größeres Potenzial für die Synthesechemie besitzen, als wir jetzt schon zeigen konnten.“

Förderung

Die Arbeiten wurden unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters RESOLV (EXC-2033) und vom Europäischen Forschungsrat (Fördernummer 677749).

Originalveröffentlichung

Mike Jörges, Felix Krischer, Viktoria Däschlein-Gessner: Transition metal–free ketene formation from carbon monoxide through isolable ketenyl anions, in: Science, 2022, DOI: 10.1126/science.ade456

Pressekontakt

Prof. Dr. Viktoria Däschlein-Gessner
Anorganische Chemie II
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.:  +49 234 32 24174
E-Mail: viktoria.daeschlein-gessner@rub.de

Download hochauflösender Bilder
Der Download der gewählten Bilder erfolgt als ZIP-Datei. Bildzeilen und Bildnachweise finden Sie nach dem Entpacken in der enthaltenen HTML-Datei.
Nutzungsbedingungen
Die Verwendung der Bilder ist unter Angabe des entsprechenden Copyrights für die Presse honorarfrei. Die Bilder dürfen ausschließlich für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum verwendet werden, die sich ausschließlich auf die Inhalte des Artikels bezieht, der den Link zum Bilderdownload enthält. Mit dem Download erhalten Sie ein einfaches Nutzungsrecht zur einmaligen Berichterstattung. Eine weitergehende Bearbeitung, die über das Anpassen an das jeweilige Layout hinausgeht, oder eine Speicherung der Bilder für weitere Zwecke, erfordert eine Erweiterung des Nutzungsrechts. Sollten Sie die Fotos daher auf andere Weise verwenden wollen, kontaktieren Sie bitte redaktion@ruhr-uni-bochum.de

Veröffentlicht

Dienstag
10. Januar 2023
09:21 Uhr

Teilen