Sozialwissenschaft Zustimmung zur Diversität in Deutschland ist ungebrochen
Die Stimmen der Rechtspopulisten sind zwar laut, aber sie sind eine Minderheit. So lautet ein Ergebnis einer aktuellen Studie zur Vielfalt in großen deutschen Städten.
Wie verbreitet positive und negative Einstellungen zur Vielfalt in großen deutschen Städten sind, haben Forschende aus Göttingen und Bochum untersucht. Das Team des Max-Planck-Instituts zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften und der Ruhr-Universität Bochum verglich die Ergebnisse einer telefonischen Befragung aus den Jahren 2019/2020 mit Daten von 2010 und belegt: Trotz einschneidender Ereignisse wie den Flüchtlingsbewegungen 2015 steht eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung Diversität nach wie vor offen gegenüber. Über die Ergebnisse berichtet das Wissenschaftsmagazin Rubin der Ruhr-Universität.
„Man hätte vielleicht ein anderes Ergebnis erwarten können, wenn man an rechtspopulistische Strömungen denkt“, resümiert Prof. Dr. Sören Petermann von der Ruhr-Universität Bochum. „Das sind zwar laute Stimmen, aber sie sind in der Minderheit. Eine breite Bevölkerungsschicht in Deutschland befürwortet Diversität.“
Daten aus zwei Telefonbefragungen verglichen
Fakt ist: Heute leben mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Deutschland als im Jahr 2010, und auch die Herkunftsländer und kulturellen Lebenserfahrungen sind vielfältiger geworden. Um herauszufinden, ob das auch die Einstellung zur Diversität geändert hat, interviewten die Forschenden in den Jahren 2019 und 2020 mithilfe einer Agentur rund 3.000 Personen aus 20 verschiedenen Städten in einer Telefonbefragung. Die Teilnehmenden waren so ausgewählt worden, dass die Stichprobe repräsentativ für deutsche Städte mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern war. Eine ähnliche Studie hatte das Team bereits 2010 durchgeführt. Die aktuellen Arbeiten sind eingebettet in das Projekt „Diversity Assent in Urban Germany“, das Prof. Dr. Karen Schönwälder vom Max-Planck-Institut in Göttingen leitet.
Zwei Drittel haben eine grundsätzlich positive Haltung zur Vielfalt
Die Einstellung zur Diversität erhoben die Forschenden auf zwei Ebenen. Auf einer abstrakten Ebene fragten sie beispielsweise, ob Diversität eine Bereicherung für das Land oder die Stadt sei. Auf einer konkreten Ebene fragten sie zudem, ob Menschen bestimmte politische Maßnahmen befürworten würden: Sollten mehr Personen mit Migrationsgeschichte im Parlament vertreten sein? Würden die Teilnehmenden es befürworten, dass die Kulturförderung auch Minderheiten einschließt? Wären sie damit einverstanden, wenn eine Moschee in ihrer Nachbarschaft gebaut würde?
Zwei Drittel der Befragten hatten grundsätzlich eine positive Haltung zur Diversität, stimmten also den Aussagen auf der abstrakten Ebene zu. Menschen mit höherem Einkommen und höherem Bildungsabschluss zeigten dabei eine größere Zustimmung. Das Alter spielte keine große Rolle, wobei es eine Tendenz gab, dass jüngere Menschen Diversität offener gegenüberstehen als ältere.
Etwa die Hälfte der Befragten geht noch weiter
Rund die Hälfte der Befragten ging noch weiter und befürwortete auch die vorgeschlagenen politischen Maßnahmen wie mehr Teilhabe für Menschen mit Migrationshintergrund an politischen Ämtern. Anders als auf der abstrakten Ebene hing die Zustimmung hier nicht mit Einkommen, Alter oder Bildung zusammen. Entscheidend waren die politischen Einstellungen sowie Kontakte und Beziehungen zwischen Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte. Oftmals reicht ein einziger überbrückender Kontakt aus, damit Menschen Vielfalt gegenüber deutlich positiver eingestellt sind.
Die Forschenden ermittelten auch, wie Anhängerinnen und Anhänger unterschiedlicher politischer Parteien zur Diversität stehen und wie Menschen die Vielfalt in ihrem eigenen Wohnviertel wahrnehmen. Über die Ergebnisse berichtet das Wissenschaftsmagazin Rubin der Ruhr-Universität in einem ausführlichen Beitrag.