Linguistik Was Emojis den Deutschen bedeuten

Eine aufwändige Studie ermittelt erstmals, welche Gesichts-Emojis von Deutschen am häufigsten gebraucht werden und was jedes der Emojis aussagt.

Ist es ein fröhliches oder ein diabolisches Lächeln, das das Emoji zeigt? Welches Gefühl vermittelt es? Obwohl die Grundbedeutung der 107 Gesichts-Emojis im Unicode festgelegt ist, ist ihre wahrgenommene Aussage teils sehr unterschiedlich. Prof. Dr. Tatjana Scheffler, Linguistin an der Ruhr-Universität Bochum, und Dr. Ivan Nenchev von der Charité Universitätsmedizin Berlin haben in einer aufwändigen Studie erstmals ermittelt, was deutschsprachige Menschen mit den Emojis verbinden. Zusätzlich haben sie zum ersten Mal umfassende Daten über die Häufigkeit der verschiedenen Gesichts-Emojis in öffentlicher und privater Kommunikation erhoben. Ihre Ergebnisse haben sie in der Zeitschrift Behaviour Research Methods vom 15. August 2024 veröffentlicht.

Die Forschenden zeigten in einer Online-Befragung 153 Teilnehmenden sämtliche zum Zeitpunkt der Studie verfügbaren 107 Gesichts-Emojis. Mittels stufenlos beweglicher Schieberegler gaben die Versuchspersonen über fünf Aspekte Auskunft: Wie bekannt war ihnen das Emoji? Als wie klar empfanden sie seine Bedeutung? Wie komplex war seine visuelle Darstellung? Welchen emotionalen Gehalt maßen sie ihm bei und wie stark war seine emotionale Intensität? Zusätzlich baten die Forschenden die Teilnehmenden, die Bedeutung des jeweiligen Emojis mit maximal drei Begriffen zu beschreiben. „Diese Beschreibungen haben wir mit computerlinguistischen Methoden analysiert“, erklärt Tatjana Scheffler.

Tränen lachendes Gesicht ist am beliebtesten

Um zu ermitteln, wie häufig die einzelnen Emojis genutzt wurden, zog das Team einerseits einen riesigen Datensatz von über 280 Millionen deutschsprachigen Twitternachrichten aus dem Jahr 2022 heran. „Daran konnten wir ablesen, welche Emojis in öffentlichen Diskursen wie häufig zum Einsatz kamen“, erläutert Tatjana Scheffler. Ein weiterer kleinerer Datensatz von WhatsApp-Konversationen, dem am meisten genutzten Messenger in Deutschland, gab zum anderen Aufschluss darüber, welche Emojis in privaten Nachrichten die Favoriten waren. Heraus kam: Das am häufigsten genutzte Emoji ist das Tränen lachende Gesicht, gefolgt vom lachenden Gesicht und dem Zwinkersmiley. Am seltensten benutzt wurde das entsetzte Gesicht, gefolgt von den Emojis „Gesicht in Wolken“ und „Gesicht mit gepunkteter Linie“, die erst 2021 neu eingeführt wurden.

Erwartungsgemäß ergab der Abgleich zwischen diesen Daten und den Angaben der Teilnehmenden der Online-Befragung, dass je häufiger ein Emoji benutzt wurde, desto bekannter es auch bewertet wurde. Die größere Bekanntheit von Emojis geht mit einer höheren positiven emotionalen Bewertung und Klarheit einher. Eine negative Korrelation konnten die Forschenden zwischen visueller Komplexität und Bekanntheit sowie Klarheit nachweisen. „Negative Emojis sind darüber hinaus emotional intensiver als positive“, berichtet Tatjana Scheffler. Die Forschenden mutmaßen, dass das möglicherweise daran liegt, dass positive Emojis häufiger gebraucht werden und sich abnutzen.

Freundlich oder passiv aggressiv?

„Emojis sind im Unicode definiert, aber ihre Verwendung und Interpretation in der Praxis weicht stark von den dort aufgeführten Bedeutungen ab“, so Ivan Nenchev. In der freien Beschreibung traten diese Abweichungen zutage. Während einige Emojis nur eine Hauptbedeutung besitzen – das Tränen lachende Gesicht zum Beispiel „lustig“ oder „lachen“ – haben andere mehrere verschiedene Bedeutungen. Das leicht lächelnde Gesicht wird zum Beispiel sowohl als freundlich als auch als passiv aggressiv beschrieben.

„Das Ergebnis der Studie ist das bis dato umfangreichste Lexikon für Gesichts-Emojis“, resümert Tatjana Scheffler. „Es zeigt, dass die Bedeutungen von Emojis nicht trivial und teilweise sogar widersprüchlich sind.“ Die Forschenden wollen damit ein Fundament für weitere Untersuchungen zu Emojis im deutschsprachigen Raum legen.

Förderung

Die Arbeiten wurden unterstützt durch das BIH Charité Digital Clinician Scientist Program sowie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft durch das Schwerpunktprogramm 2392 Visuelle Kommunikation (ViCom), Projekt EmDiCom (Projektnummer 501983851).

Originalveröffentlichung

Tatjana Scheffler, Ivan Nenchev: Affective, Semantic, Frequency, and Descriptive Norms for 107 Face Emojis, in: Behaviour Research Methods, 2024, DOI: 10.3758/s13428-024-02444-x

Pressekontakt

Prof. Dr. Tatjana Scheffler
Digitale Forensische Linguistik
Fakultät für Philologie, Germanistik
Tel.: +49 234 32 21471
Mail: tatjana.scheffler@ruhr-uni-bochum.de

Dr. Ivan Nenchev
Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie
Charité Universitätsmedizin Berlin
und
BIH Charité Digital Clinician Scientist Program
Berlin Institute of Health at Charité – Universitätsmedizin Berlin
Tel.: +49 30 2311 2156
E-Mail: ivan.nenchev@charite.de

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Veröffentlicht

Montag
19. August 2024
12:22 Uhr

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