Mit HEV infizierte Nierenzellen sind mit einem grünen Fluoreszenzfarbstoff markiert. Nicht infizierte Zellen sind blau angefärbt.

© TWINCORE

Medizin

Virus auf Abwegen

Ein Forschungsteam aus Bochum und Hannover zeigt, dass das Hepatitis E-Virus auch andere Organe als die Leber befällt.

Das Hepatitis E-Virus (HEV) verursacht schwere Leberentzündungen. Ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum und des TWINCORE-Zentrums für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung in Hannover konnte nun erstmals nachweisen, dass es auch Nierenzellen befallen und sich darin vermehren kann. Dort wirken antivirale Medikamente wie Ribavirin weniger effizient als in der Leber. Die Ergebnisse der Studie sind in der Zeitschrift Liver International vom 27. Juni 2025 veröffentlicht. 

Gesamter Lebenszyklus in der Niere möglich

Hepatitis-E-Viren befallen hauptsächlich Leberzellen und richten in der Leber mitunter die größten Schäden an. „Es war aber bekannt, dass sie sich auf Abwege begeben und andere Zellen befallen können, zum Beispiel Nervenzellen“, berichtet Letztautor Dr. André Gömer aus der Abteilung Molekulare und Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum. Dem Team aus Bochum und Hannover gelang in Zellkultur nun der Nachweis, dass die Viren auch Nierenzellen befallen und sich mit ihrer Hilfe vermehren können. „Der gesamte Replikationszyklus des Virus läuft in Nierenzellen ebenso ab wie in Leberzellen“, so Gömer. 

Auf eine Therapie mit dem antiviralen Wirkstoff Ribavirin sprachen die infizierten Nierenzellen weniger gut an als die Leberzellen. „Das liegt vermutlich am Stoffwechselprofil der beiden Organe, das sich deutlich unterscheidet“, sagt André Gömer. In der Niere ist das Virus also relativ unempfindlich gegen die medikamentöse Behandlung. „Es könnte sein, dass die Niere bei chronischen Infektionen als Reservoir funktioniert, von wo aus sich die Viren nach einer vermeintlich erfolgreichen Behandlung wieder ausbreiten“, sagt Nele Meyer, Doktorandin in der Forschungsgruppe „Translationale Virologie“ am TWINCORE. Sie ist gemeinsam mit der Ärztin Avista Wahid Erstautorin der Studie. Auch könnte es ein solches Reservoir den Viren ermöglichen, sich an eine Behandlung besser anzupassen. 

Evolution im Organ

Das Team führte darüber hinaus eine vergleichende genetische Analyse von Hepatitis-Viren chronisch infizierter Patient*innen aus deren Blutplasma, Stuhl und Urin durch. Während mit dem Stuhl vor allem Viren aus der Leber ausgeschieden werden, finden sich im Urin solche aus der Niere. „Die in den unterschiedlichen Proben gefundenen Viren unterscheiden sich deutlich voneinander“, berichtet Dr. Patrick Behrendt, Leiter der Gruppe „Translationale Virologie“ am TWINCORE und ebenfalls Letztautor des Artikels. „Das ist ein Hinweis darauf, dass sich die Populationen schon seit längerer Zeit unabhängig voneinander entwickelt haben und eine Art Evolution im jeweiligen Organ durchlaufen haben.“ 

Hepatitis E

Das Hepatitis E-Virus (HEV) ist der Hauptverursacher akuter Virushepatitiden. Nach dem ersten dokumentierten epidemischen Ausbruch 1955 bis 1956 vergingen mehr als 50 Jahre, bis Forscher sich intensiv des Themas annahmen. Akute Infektionen heilen bei Patienten mit intaktem Immunsystem normalerweise von selbst aus. Bei Patienten mit reduziertem oder unterdrücktem Immunsystem wie Organtransplantatempfängern oder HIV-infizierten Patienten kann HEV chronisch werden. Auch für schwangere Frauen ist HEV besonders bedrohlich.

Förderung

Die Arbeiten wurden unterstützt durch das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung, die VolkswagenStiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (398066876/GRK 2485/2 und 448974291) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (Projekt VirBio, Förderkennzeichen: 01KI2106).

Originalveröffentlichung

Avista Wahid, Nele Meyer et al.: Extrahepatic Replication and Genomic Signatures of the Hepatitis E virus in the Kidney, in: Liver International, 2025, DOI: 10.1111/liv.70183

Pressekontakt

Dr. André Gömer
Abteilung Medizinische und Molekulare Virologie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 22232
E-Mail: andre.goemer@ruhr-uni-bochum.de 
Webseite der Abteilung

Dr. Patrick Behrendt
Klinische Nachwuchsforschungsgruppe „Translationale Virologie“
TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung
E-Mail: patrick.behrendt@twincore.de 

Download hochauflösender Bilder
Der Download der gewählten Bilder erfolgt als ZIP-Datei. Bildzeilen und Bildnachweise finden Sie nach dem Entpacken in der enthaltenen HTML-Datei.
Nutzungsbedingungen
Die Verwendung der Bilder ist unter Angabe des entsprechenden Copyrights für die Presse honorarfrei. Die Bilder dürfen ausschließlich für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum verwendet werden, die sich ausschließlich auf die Inhalte des Artikels bezieht, der den Link zum Bilderdownload enthält. Mit dem Download erhalten Sie ein einfaches Nutzungsrecht zur einmaligen Berichterstattung. Eine weitergehende Bearbeitung, die über das Anpassen an das jeweilige Layout hinausgeht, oder eine Speicherung der Bilder für weitere Zwecke, erfordert eine Erweiterung des Nutzungsrechts. Sollten Sie die Fotos daher auf andere Weise verwenden wollen, kontaktieren Sie bitte redaktion@ruhr-uni-bochum.de

Veröffentlicht

Mittwoch
02. Juli 2025
11:24 Uhr

Teilen