Interview Susanne Schutta berät Beschäftigte beim Wiedereinstieg
Die Beauftragte für das Betriebliche Eingliederungsmanagement berichtet von ihrer Arbeit.
Seit Mai 2017 ist Susanne Schutta hauptamtliche Beauftragte für das Betriebliche Eingliederungsmanagement an der Ruhr-Universität Bochum (BEM-Beauftragte). Im Interview berichtet sie von ihrer täglichen Arbeit.
Frau Schutta, wie und warum wird man hauptamtliche Beauftragte für das Betriebliche Eingliederungsmanagement?
Nach vielen Jahren der Beschäftigung in der gleichen Funktion war ich sehr an einer beruflichen Veränderung interessiert und wollte mich gern im Bereich Gesundheit einbringen. BEM ist ein zentraler Bestandteil jeden Gesundheitsmanagements, deshalb passte es gut. Ich freue mich sehr, dass ich die Chance hatte, mich im Rahmen einer internen Personalentwicklungsmaßnahme zur Certified Disability Managerin weiterbilden zu lassen und damit dann bestens ausgerüstet für das Amt der BEM- Beauftragten war.
BEM-Beauftragte
BEM-Beauftragte
Gab es bereits vor Ihrer Zeit eine BEM-Beauftragte oder einen BEM-Beauftragten an der Ruhr-Universität?
Das Thema „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ war vor 2017 organisatorisch in der Personalverwaltung angesiedelt. Die Personalvertretungen und die Hochschulleitung wollten das Thema jedoch stärken. Deshalb wurde der Entschluss gefasst, dafür eine eigene Stelle außerhalb des Personaldezernats einzurichten, um deutlich zu machen, dass es sich um ein neutrales und für die Beschäftigten freiwilliges Beratungsangebot handelt.
In Ihren eigenen Worten, bitte: Was genau macht eine BEM-Beauftragte?
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist ein Angebot für Beschäftigte, die durch Erkrankung häufiger oder für längere Zeit arbeitsunfähig sind. Mit meiner Unterstützung und gegebenenfalls gemeinsam mit dem Integrationsteam suchen wir individuell nach Lösungen und bieten Hilfsleistungen an, um mit Einschränkungen gut weiterzuarbeiten, einer Verschlimmerung entgegenzuwirken und weitere Fehlzeiten einzuschränken.
Die meisten Probleme können wir bereits im Informationsgespräch klären. Hier gebe ich oft Hinweise, welche Maßnahmen sinnvoll sein könnten, um die Situation des Betroffenen zu verbessern. Dies kann zum Beispiel die Anschaffung einer ergonomischen Büroausstattung sein, Gespräche mit unserer Sozialberaterin, Ivonne Lee, das Einholen einer medizinischen Einschätzung bei unserer Betriebsärztin, die Suche nach einem Therapieplatz und so weiter. Das heißt, je nach individueller Lage gebe ich Empfehlungen oder verweise an zuständige Stellen.
In komplexeren Fällen ist es sinnvoll, ein BEM-Verfahren zu eröffnen. Hier erarbeite ich gemeinsam mit dem BEM-Klienten und gegebenenfalls mit dem Integrationsteam einen Maßnahmenplan, der aus mehreren Schritten bestehen kann. Ich begleite die Umsetzung und die Durchführung der Maßnahmen und überprüfe gemeinsam mit dem BEM-Berechtigten die Wirksamkeit. Nach erfolgreicher Umsetzung ist das Ziel des BEM erreicht.
Das Eingliederungsteam
Wer gehört denn zum Eingliederungsteam im Betrieblichen Eingliederungsmanagement?
Zum BEM-Eingliederungsteam gehören Personalvertretungen, Schwerbehindertenvertretung, Betriebsärztin, Sozialberaterin, Vorgesetzte des BEM-Klienten, Dezernat Personal und Recht, Dezernat für Organisations- und Personalentwicklung, Stabsstelle Arbeitssicherheit und Umweltschutz sowie das Integrationsamt. Je nach individueller Situation und Bedarf des BEM-Klienten suchen wir gemeinsam die Akteure des Eingliederungsteams aus, die aufgrund ihrer speziellen Expertise in der Sache unterstützend sein könnten.
Mit welchen Bereichen in der Verwaltung und an überhaupt an der Ruhr-Universität arbeiten Sie sonst am engsten zusammen?
Neben dem BEM-Eingliederungsteam, mit dem ich den meisten Kontakt habe, arbeite ich mit der Koordinatorin des Gesundheitsmanagements, Anja Dernbach, und mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Dezernat für Personal- und Organisationsentwicklung zusammen. Mit dem Dezernatsteam habe ich aufgrund meiner Tätigkeit und der damit verbundenen Schweigepflicht natürlich nur wenig fachlichen Austausch. Aber für mich ist es schön, in ein Team eingebunden zu sein, und mich zum Beispiel bezüglich der internen Öffentlichkeitarbeit beraten zu können oder meine Erkenntnisse zur Arbeit an der RUB aus den vielen Gesprächen, die ich führe, zum Beispiel an die Leute, die unsere Fortbildungen organisieren, weiterzugeben. So können wir dann die Arbeit an der RUB immer noch ein bisschen besser machen. Am engsten arbeite ich natürlich mit meinen Kolleginnen Anja Dernbach und Ivonne Lee in Sachen Gesundheitsförderung und Suchtprävention zusammen.
Alle Beschäftigten der RUB können ein BEM-Gespräch in Anspruch nehmen.
Wie eng ist der Kontakt zu den Beschäftigten, die ein BEM durchlaufen?
Der Kontakt zu den Menschen, die ein BEM-Gespräch oder ein BEM-Verfahren annehmen, ist je nach Fall recht eng. Die Inhalte der Gespräche sind oft sehr persönlich, da ist neben Fachkenntnis vor allem Empathie und Fingerspitzengefühl wichtig. Einen vertrauensvollen Raum schaffen, zuhören und gemeinsam gute Lösungen für die betroffene Person finden, schafft Nähe. Wie lange und wie eng wir zusammenarbeiten, hängt von der jeweiligen Situation ab. Letztendlich bestimmt das immer die Person, die sich von mir beraten lässt.
Wer kann theoretisch ein BEM in Anspruch nehmen?
Alle Beschäftigten der RUB können ein BEM-Gespräch in Anspruch nehmen. Nicht erst im Falle von längeren Krankenzeiten. BEM ist vor allem auch ein Präventionsangebot. Das heißt, wenn Beschäftigte feststellen, dass ihre Erkrankung eventuell eine Anpassung am Arbeitsplatz erforderlich machen könnte oder dass ihre Situation am Arbeitsplatz krankmachende Aspekte aufweist, ist es immer sinnvoll, frühzeitig das Gespräch mit mir zu suchen, um gesundheitseinschränkende Aspekte abzustellen oder zumindest zu reduzieren. In diesen Gesprächen haben Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, sich vertrauensvoll mit mir oder den Mitgliedern des Eingliederungsteams über ihre Situation auszutauschen. Sie nehmen oft schon wertvolle Hinweise mit, um einen gute Lösung für ihre Anliegen zu finden.
Allein die BEM-Berechtigten entscheiden
Wer entscheidet, ob und wann ein BEM stattfindet?
Ob ein BEM-Verfahren stattfindet, entscheiden allein die BEM-Berechtigten. Ich gebe Empfehlungen, aber die Entscheidung trifft die betroffene Person selbst, denn BEM ist freiwillig. Es ist als hilfreiches Angebot zu verstehen, und damit ein BEM erfolgreich sein kann, ist das Einverständnis und die Bereitschaft, etwas zu verändern, unbedingte Voraussetzung.
Sie sind jetzt seit über sieben Jahren BEM-Beauftragte an der Ruhr-Universität. Daraus abgeleitet gleich zwei Fragen; zunächst: Haben Sie es je bereut, dieses verantwortungsvolle Amt zu übernehmen?
Nein, niemals! Es gab Zeiten, vor allem zu Anfang, als das BEM an der RUB in seiner jetzigen Form aufgebaut werden musste, die waren sehr herausfordernd. Neben dem Aufbau des BEM in der Organisation habe ich bereits alle BEM-Gespräche geführt und das war sowohl zeitlich als auch energetisch sehr beanspruchend. Da es sich um kranke Menschen handelt, sind die Inhalte der Gespräche eben auch oft problembeladen und sorgenvoll. Auch das ist etwas, wo es wichtig ist, neben der Empathie eine professionelle Distanz einzunehmen, um selbst gesund zu bleiben und eine gute Unterstützung anbieten zu können.
Ich mache diese Arbeit wirklich sehr gern und habe es nie bereut, diese Herausforderung anzunehmen. Der Kontakt zu Menschen aus allen Arbeitsbereichen hat meinen Horizont erweitert und mir einen tiefen Einblick in die unterschiedlichen Lebenswelten meiner Kolleginnen und Kollegen ermöglicht. Dafür bin ich sehr dankbar. Außerdem freue ich mich sehr, wenn meine Unterstützung Früchte trägt. Das sind die schönsten Momente in meinem Arbeitsalltag!
Außerdem haben die Beschäftigten das BEM an der RUB hervorragend bewertet. Auch das ist neben der Freude, die mir meine Arbeit macht, ein schöner Ansporn für mich.
Es gibt verschieden Gemeinsamkeiten oder auch Muster.
Unabhängig von der Dauer der Fehlzeit und Art der Tätigkeit an der Ruhr-Universität: Gibt es bestimmte, wiederkehrende Muster, die sich bei allen Beschäftigten im BEM zeigen, zum Beispiel, dass viele sich sorgen, wieder ihrem Team oder ihren Vorgesetzten zu begegnen oder ist es eher die Angst vor der allerersten Tätigkeit, dem allerersten zu bearbeitenden Vorgang?
Es gibt verschieden Gemeinsamkeiten oder auch Muster. Zum einen fällt mir auf, dass Menschen ihre Probleme oftmals zu lange mit sich herumtragen und erst dann auf Hilfsangebote reagieren, wenn die belastende Situation bereits akut ist. Wenn Konflikte am Arbeitsplatz bereits eskaliert sind oder die Rückenschmerzen so schlimm geworden sind, dass sie arbeitsunfähig werden. Hier ermuntere ich ausdrücklich, frühzeitig Gespräche zu suchen, um einer Eskalation vorzubeugen. Je früher man ein Problem angeht, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, zeitnah sinnvolle Veränderungen einzuleiten.
Langzeiterkrankte haben oft Angst vor der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit, weil sie nicht wissen, was sie am Arbeitsplatz erwartet nach längerer Abwesenheit und weil sie sich nicht sicher sind, ob sie der Situation gewachsen sind. Auch sind sie unsicher, wie sie von ihrem Arbeitsteam aufgenommen werden. Hier bietet das BEM neben der stufenweisen Wiedereingliederung, die durch die Betriebsärztin und die Personalabteilung begleitet werden, eine hilfreiche Unterstützung. Schon oft habe ich von BEM-Klienten die Rückmeldung erhalten, dass sie den engen Kontakt zu mir als Ansprechperson als stärkend und unterstützend erfahren haben und dies ihnen den Wiedereinstieg erleichtert hat.