Die 20-jährige Isabell Thal hat seit frühester Kindheit eine sehr geringe Sehkraft.
© RUB, Kramer

Sportwissenschaft Studium mit Handicap

Fünf Prozent Sehkraft reichen Isabell Thal, um im Studium neue Sportarten zu erlernen und die Orientierung auf dem Campus nicht zu verlieren.

Fortschreitende Netzhautdegeneration ist der Fachausdruck für Isabell Thals Handicap: Sie hat auf beiden Augen eine Sehkraft von nur fünf Prozent und das Innere ihres Sehfeldes ist zerstört. Um einen Raum komplett wahrzunehmen, wandert ihr Blick, um das fehlende Puzzlestück in ihrem Blickfeld immer wieder zu ersetzen. So entsteht in ihrem Kopf nach und nach ein Gesamtbild, das aber durch die geringe Sehkraft sehr unscharf ist.

Stark verschwommen und in der Mitte ein schwarzes Loch: So nimmt Isabell Thal ihr Umfeld wahr.
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„Erst als ich neun Jahre alt war, hat man das Ausmaß meiner Sehschwäche diagnostiziert“, berichtet Thal, die im zweiten Semester Sportwissenschaft an der RUB studiert. Ihr wichtigster Begleiter im Alltag ist ihr Smartphone, auf dem sie eine Art Lupe installiert hat, um sich Texte stark vergrößern zu können. Bei Klausuren bekommt sie die Aufgaben auf einem USB-Stick und kann den Text auf ihrem Laptop lesen und die Antworten eintippen.

Ersatz für visuelles Lernen

Die größere Herausforderung ist aber das Erlernen neuer Sportarten und Bewegungsabläufe wie zum Beispiel Speerwerfen. „Die Dozenten kennen mein Handicap und nehmen sich Zeit, mir die Bewegung genau zu erklären, damit ich die Details des Bewegungsablaufs, die ich nicht visuell erfassen kann, verstehe. Außerdem führen sie wie beim Speerwerfen probeweise meinen Arm und ich kann den Ablauf dann abspeichern“, erzählt Thal.

Ihre gute Koordination und ein gutes Körpergefühl hat sie beim Judo entwickelt, diesen Sport praktiziert sie seit vielen Jahren und ist mittlerweile auch als Trainerin für Kindergruppen tätig. „Schwieriger wird es bei Ballsportarten und Rückschlagspielen, wie zum Beispiel Tennis, da ich den Ball zu spät erkenne, um auf den Wurf oder Schlag rechtzeitig reagieren zu können.Wir können aber im Sportstudium zwischen einigen Sportarten wählen, sodass das meiste für mich kein Problem darstellt“, so Thal.

Vielfältige Hilfe durch Fakultät

Unterstützung bei möglichen Stolpersteinen im Studium erhält sie in der Fakultät vor allen Dingen von Dr. Arno Krombholz, der Ansprechpartner für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung ist. Ihn informiert Thal zu Semesterbeginn über ihre Kurswahl und er bespricht gegebenenfalls mit den Dozenten, ob und wie sie Thal unterstützen können.

Ihre Kommilitonen stehen Thal im wahrsten Sinne des Wortes zur Seite, wenn sie sich auf dem Campus orientieren muss: „Meine Kommilitonen helfen mir immer, egal ob bei der Büchersuche in der Bibliothek oder bei der Orientierung auf dem Campus. Jedoch bin ich auch mal alleine auf dem Campus unterwegs, was vor allem im Winter, wenn es dunkel ist, nicht immer so einfach ist, da beispielsweise der Bereich am HGA/ HGB sehr schlecht beleuchtet ist.“

Abenteuer Erasmus

Auf die Hilfe einer Freundin kann sie sich auch verlassen, wenn sie im September für ein Auslandssemester nach Spanien aufbricht. Sie werden eine Woche gemeinsam in Elche verbringen und die wichtigsten Wege zurücklegen. Danach wird Thal das Abenteuer Erasmus mit Sicherheit alleine meistern.

Veröffentlicht

Freitag
26. Juli 2019
08:45 Uhr

Von

Michaela Wurm

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