Wettbewerb „Das ist keine Seifenkiste“
Von 0 auf 100 in 2,5 Sekunden. Das schafft der neue Formel-Rennwagen RUB24. Geplant, gebaut und gefahren wird er von Studierenden der Ruhr-Universität.
In der Werkstatt im IBN ist es heiß an diesem Tag. Aufgebockt in der Mitte des Raumes steht der RUB24, das diesjährige Modell des Formel-Rennwagens, den 35 Studierende selbst geplant, konstruiert und gebaut haben. Im Hintergrund tönt das laute, gleichmäßige Summen der Fräsmaschine; am Tisch beugen sich drei Teammitglieder konzentriert über ihre Laptops. Es sind nur noch zwei Wochen bis zum ersten Rennen der Saison und es ist noch viel zu tun.
Für Niklas Würtz, seit einigen Jahren die Marketing-Ein-Mann-Band von RUB Motorsport, wird diese Saison etwas ganz Besonders. „Der RUB24 ist das erste Auto, dessen Entwicklung ich als einer der Teamleiter gemeinsam mit Juana Boventer überwache“, erklärt der Management-and-Economics-Student. Er sei froh, dass Juana Boventer viel technisches Wissen mitbringe, das ihm selbst manchmal fehle. Zu seinen Aufgaben zähle, sicherzustellen, dass alle Teammitglieder effektiv arbeiten können, Zeitpläne zu entwerfen, Arbeitsabläufe zu koordinieren, das Budget zu verwalten und wichtige Stichtage für Wettbewerbe im Auge zu behalten. Auch die Kommunikation mit Sponsoren, Vertragsabschlüsse sowie das Marketing gehören weiterhin zu seinem Tagesgeschäft. „Wir versuchen, jedes Jahr ein Stück professioneller zu werden“, sagt Niklas Würtz.
Im Rennen um die Transferpreise
Auf die Teilnahme an den internationalen Wettbewerben fiebert das Team jedes Mal hin. Der prestigeträchtigste unter ihnen ist die Formula Student Germany auf dem Hockenheimring. „Die Formula Student ist ein Wettbewerb für Studierende, bei dem sowohl die Konstruktion, Fertigung wie auch wirtschaftliche Aspekte von einer Jury aus namenhaften Leuten aus der Automobilindustrie bewertet werden. Alles, was man im Studium theoretisch lernt, muss man hier praktisch anwenden“, erklärt Niklas Würtz. Das Engagement der Studierenden ist ein gutes Beispiel für ein Transferprojekt, das Wissen aus der Hochschule in die Anwendung bringt. Im letzten Jahr ging das Team daher nicht nur in Hockenheim an den Start, sondern auch ins Rennen um den ersten QUBO-Innovationsaward der Ruhr-Universität Bochum. Mit ihm zeichnet das Rektorat besondere Transferleistungen von studentischen Gruppierungen, Einzelpersonen und Lehrstühlen aus.
Die Königsdisziplin meistern
In diesem Jahr konzentriert sich das RUB Motorsport-Team wieder ganz auf die Formula-Student-Wettbewerbe und fasst dabei nichts Geringeres als die Königsdisziplin ins Auge: ein Ausdauerrennen. Hierbei wird eine Strecke von 20 bis 22 Kilometern am Stück gefahren, die alle wichtigen Eigenschaften eines Wagens abfragen soll, darunter Agilität, Beschleunigung, Bremskraft, Kurvengeschwindigkeit und Endgeschwindigkeit. So ein Endurance-Rennen erfolgreich durchzufahren, sei dem Team zuletzt vor sechs Jahren gelungen, sagt Niklas Würtz. Höchste Zeit also, es sich für dieses Jahr wieder vorzunehmen.
Evolution statt Revolution
Gelingen soll das mit dem neuen Rennwagenmodell RUB24, der wie professionelle Rennautos zum überwiegenden Teil aus Carbon besteht und am 28. Juni 2024 im Zentrum für das Engineering Smarter Produkt-Service Systeme (ZESS) offiziell vorgestellt wurde. Das neue Modell schafft es von 0 auf 100 in circa 2,5 Sekunden und erreicht etwa 980 Newtonmeter Drehmoment auf der Hinterachse. „Ja, der ist keine Seifenkiste“, so der Student. Das Motto bei der Entwicklung lautete Evolution statt Revolution. „Wir erfinden das Rad nicht komplett neu, sondern arbeiten vor allem an der Zuverlässigkeit unseres Wagens“, erklärt Niklas Würtz. Zu den wesentlichen Neuerungen zähle ein komplett neues Federdämpfersystem und ein Batteriecontainer aus Aramid, einem Gewebe, das zur Weiterverarbeitung mit Harz überzogen wird. Niklas Würtz zeigt auf einen großen gelben Kasten. „Dieser ganze Batteriecontainer wiegt jetzt nur noch etwas über 4 Kilogramm, ungefähr die Hälfte von dem, was unser Aluminium-Container letztes Jahr gewogen hat.“
Von und mit den Unternehmen lernen
Der direkte Kontakt zu den Unternehmen und Herstellern, der durch die Komplexität der Bauteile erforderlich wird, sei etwas ganz Besonderes. „Von Bilstein, die zum thyssenkrupp-Konzern gehören, bekommen wir beispielsweise nicht nur Dämpfer und Federn, sondern auch Hilfestellung bei der Entwicklung und Konstruktion, sowie Testmöglichkeiten, um unsere eigene Aufhängung besser zu verstehen.“ Diese persönlichen Kontakte zu den verschiedenen lokalen Unternehmen, mittelständischen Betrieben und Großkonzernen seien von beidseitigem Interesse, man lerne viel voneinander und könne Kontakte zu Arbeitgebern und der Automobilindustrie knüpfen.
Immer wenn man den RUB20 anmacht, kann man ihn noch in Dahlhausen hören.
Niklas Würtz
Auch wenn Zeitdruck und Finanzen jedes Jahr die größten Herausforderungen seien, schaffe das Team immer wieder, etwas aus dem Hut zu zaubern, das sich am Ende sehen lassen kann, meint Niklas Würtz. „Das Gefühl, am Ende den eigenen Formel-Rennwagen auf der Strecke fahren zu sehen, ist einfach unbeschreiblich. Motorsport ist für mich die perfekte Kombination aus Einzel- und Teamsport.“ Fast vier Jahre ist er mittlerweile Teil von RUB Motorsport. Sein größtes Highlight ist und bleibt dabei sein allererster Wagen, der in der pandemiebedingten Doppelsession 2019-2021 an den Start gegangen ist. „Der RUB20 hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen“, schwärmt Niklas Würtz. „Immer wenn man den anmacht, kann man ihn noch in Dahlhausen hören.“ Mittlerweile kann man den letzten Verbrenner des RUB Motorsport-Teams in einer Vitrine in IC bestaunen, denn seit den darauffolgenden Saisions setzt das Team auf elektrische Antriebe.
Im Verein willkommen seien alle Studierenden, die Lust und Ausdauer mitbringen, sich bei RUB Motorsport zu engagieren und ihr Wissen praktisch anwenden möchten, ganz gleich was sie studieren. Auf die Frage, warum sich das lohnt, hat Niklas Würtz eine klare Antwort: „Du hast nur einmal im Leben die Chance, deinen eigenen Rennwagen zu bauen.“