Tanja Gabriele Baudson ist Psychologin und Expertin für das Thema Hochbegabung und rückt die Vielfalt im Klassenzimmer in den Fokus.
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Interview „Hochbegabung ist eine Ressource“

Tanja Gabriele Baudson plädiert für einen entspannten Umgang mit dem Thema Hochbegabung.

Die Junge Uni der RUB hat ihr Angebot für hochbegabte Schülerinnen und Schüler ausgebaut. Sie bietet ab sofort einen Erfahrungsaustausch sowie ein Workshop- und Vorlesungsprogramm an. Ideengeber für die Angebote ist die Psychologin Prof. Dr. Tanja Gabriele Baudson, die zurzeit an der Universität Luxemburg lehrt und Ende November 2017 vom Hochschulverband zur „Hochschulleherin des Jahres 2017" gekürt wurde. Im Gespräch entkräftet sie viele Vorurteile zum Thema Hochbegabung.

Frau Baudson, wie definieren Sie den Begriff Hochbegabung?
Leider kann ich Ihnen keine einfache Definition für dieses komplexe Thema anbieten. Wichtig ist immer zu fragen, welcher Zweck mit der Definition verfolgt wird. Für die Forschung nutzen wir Normwerte und sprechen daher bei einem Intelligenzquotienten von über 130 Punkten von einer Hochbegabung.

Für die Diagnostik und der damit verbundenen Förderung eines hochbegabten Kindes sind neben dem bekannten Intelligenztest weitere Informationsquellen wichtig, beispielsweise die Beobachtungen der Erzieher, Lehrkräfte und Eltern. 

Wie bewerten Sie den Umgang mit hochbegabten Schülern an deutschen Schulen?
Das ist sehr unterschiedlich; tendenziell gibt es jedoch immer noch zu wenig Fördermaßnahmen. Leider spielt das Thema im Zuge der Inklusionsdebatte keinerlei Rolle, und auch Lehramtsstudierende werden dafür in ihrer Ausbildung nicht sensibilisiert.

Wir richten den Fokus auf leistungsschwache Schüler.

Es ist wohl auch ein deutsches Phänomen, dass wir den Fokus auf die Förderung von leistungsschwachen Schülern richten und dabei die Vielfalt in den Klassenzimmern aus dem Blick verlieren.

Sie haben an der Universität Trier zusammen mit Prof. Dr. Franzis Preckel das Programm „Lotus“ entwickelt, welches jetzt von der Jungen Uni adaptiert wurde. Welches Ziel verfolgt das Programm?
Die Abkürzung Lotus steht für „Lösungsorientiertes Training zur Unterstützung der Selbstentwicklung". Wir wollen dabei nicht so sehr die Leistung der hochbegabten Schüler weiter fördern, sondern sie vielmehr in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung unterstützen. Viele von ihnen stecken in der Pubertät und damit sowieso in einer herausfordernden Phase. Für die eigene Identitätsentwicklung ist es daher umso wichtiger, auch die Hochbegabung als einen Teil der Persönlichkeit anzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen.

Der Kern sind die Gespräche, in denen sich die Teilnehmenden intensiv austauschen. Sie können unter Gleichgesinnten offen über Themen sprechen, die sie tagtäglich beschäftigen: Wie gehe ich mit dem Leistungsdruck in der Schule um? Wie finde ich meinen Platz in der Klassengemeinschaft? Wie gehe ich mit den Vorurteilen zum Thema Hochbegabung um? Und was bedeutet Hochbegabung eigentlich für mich?

Mitmachen

Hochbegabte Schülerinnen und Schüler der Mittel- und Oberstufe können sich ab sofort bei der Jungen Uni für das Projekt Lotus anmelden.

Welchen Ratschlag geben Sie Eltern, die ein hochbegabtes Kind haben?
Eine Hochbegabung kann definitiv nicht über Checklisten im Internet diagnostiziert werden. Stattdessen sollten sich Eltern die Zeit nehmen, ihre Kinder zu beobachten und ihre Eindrücke mit Experten zu teilen. Schulpsychologen sind eine gute erste Anlaufstelle für Ratsuchende, dazu gibt es viele Vereine wie etwa „Mensa“.

Was ist Ihr Wunsch an die Gesellschaft in Bezug auf den Umgang mit hochbegabten Kindern?
Ich wünsche mir ganz klar einen entspannten Umgang, der keinerlei Ehrfurcht oder Ähnliches mittransportiert und der auch negative Vorurteile kritisch hinterfragt – denn davon gibt es noch immer zu viele. Hochbegabung ist eine Ressource, die anerkannt und gefördert werden muss, damit aus den Kindern glückliche Erwachsene werden können.

Veröffentlicht

Freitag
15. Dezember 2017
10:45 Uhr

Von

Michaela Wurm

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