
Standpunkt Schwache Schüler richtig fördern
In Kindergarten und Grundschule werden die Weichen für den späteren Schulerfolg gestellt. Doch woher wissen wir, welche Förderung die richtige ist? Ein Kommentar zum deutschen Schulsystem.
Viele Politiker halten gerne an althergebrachten Traditionen fest; oder sie beschließen Bildungsreformen, ohne deren Umsetzung in der Praxis zu prüfen. Wie sinnvoll war zum Beispiel die Umstellung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre?
Warum halten wir an einem Schulsystem fest, das Kinder schon jung nach Begabung sortiert? Und wie schaffen es die Briten, die überwiegende Mehrheit aller Kinder mit Lernbehinderungen erfolgreich in Regelschulen zu integrieren?

Wer zukunftsträchtige Verbesserungen im Schulsystem möchte, darf sich nicht scheuen, unangenehme Fragen zu stellen. Wie viel sind wir bereit in gute Bildung für die nachfolgenden Generationen zu investieren? Das Beispiel der dringend notwendigen stärkeren Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen in deutschen Regelschulen verdeutlicht, wie essenziell die finanziellen Rahmenbedingungen sind: Inklusion erfordert individuelle Betreuung und Förderung einzelner Kinder im Unterricht durch zusätzliche Lehrkräfte.
Wir bräuchten dringend mehr Lehrer.
Wir bräuchten dringend mehr Lehrer, Sonderpädagogen und Sozialarbeiter in unseren Schulen, regelmäßige Fortbildungen und auch psychosoziale Unterstützungsangebote für Lehrkräfte. Werden diese zusätzlichen Ressourcen nicht zur Verfügung gestellt, dann wird Inklusion zulasten der Unterrichtsqualität aller Kinder stattfinden.
Die Forschung zeigt, dass individuelle, bedarfsgerechte Förderung im Grundschulalter Bildungserfolg tatsächlich verbessern kann. Bisher fehlen uns jedoch Informationen, wie wir bestimmte Risikogruppen am besten unterstützen können. Lehrer wissen zum Beispiel sehr wenig über die langfristigen Folgen von Frühgeburt und es gibt keine fundierten Ansätze, dem häufigen schulischen Misserfolg dieser Kinder vorzubeugen.

Um erfolgreiche Präventions- und Interventionsmethoden zu entwickeln, wären randomisierte Interventionsstudien notwendig, doch diese sind aufwendig, dementsprechend teuer, und in der Bildungsforschung nicht üblich.
Was können wir tun? Zum einen muss Zusammenarbeit in transdisziplinären Teams aus benachbarten Forschungsrichtungen zur Regel werden – das heißt Bildungsforschung, Sonderpädagogik, Psychologie, Pädiatrie, Soziale Arbeit sowie Gesundheitsökonomie.

Zum anderen darf Forschung nicht im Elfenbeinturm stattfinden, sondern muss in Kooperation mit allen Beteiligten, also Lehrern, Eltern, Bildungspolitikern, etc. durchgeführt werden. Dies braucht Zeit und vor allem Offenheit und Toleranz gegenüber andersartigen Denkansätzen, Methoden und Perspektiven. Doch nur wenn wir bereit sind, voneinander zu lernen, können wir auch unseren Kindern optimale Lerngelegenheiten anbieten, um sie erfolgreich auf ihre Zukunft vorzubereiten.