Plasmatechnik Keimfrei im Weltall

Bakterien können auch im Weltall ein Problem sein. Mit Plasmen könnte es sich aus der Welt schaffen lassen.

„Als ich zehn, elf Jahre alt war, wollte ich Physikerin werden“, erzählt Prof. Dr. Katharina Stapelmann und erinnert sich, dass dieser Plan bei ihren Freundinnen auf wenig Verständnis stieß. Astrophysik, das war ihr großer Traum. Heute arbeitet sie an der Ruhr-Universität Bochum, frisch ernannt zur Juniorprofessorin. Ihre Aufgabe: die Wechselwirkungen von Plasmen mit biologischen Systemen erforschen.

Plasma: der energiereichste Zustand der Materie

Für die alten Griechen waren Erde, Wasser, Luft und Feuer die Elemente allen Seins. Heute spricht man von Festkörper, Flüssigkeit, Gas und Plasma als den Zuständen der Materie. Das Plasma ist dabei der energiereichste Zustand, der in der Natur zum Beispiel in Form von Blitzen oder Feuer auftritt. Mit seiner Erforschung und technischen Anwendung beschäftigt sich an der Ruhr-Universität das Research Department „Plasmas with Complex Interactions“, dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus fünf Fakultäten angehören, darunter auch aus der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik.

Das klingt nicht nach Astrophysik, ist es eigentlich auch nicht, ein bisschen aber irgendwie doch. Katharina Stapelmann ist Elektrotechnikerin und arbeitet an einer Schnittstelle zur Biologie. Sie erforscht, wie sich Oberflächen mithilfe von Plasmen sterilisieren lassen. Eigentlich geht es dabei hauptsächlich um medizinische Geräte, aber ihre Methode ist auch für die Raumfahrt interessant. Planetary Protection lautet das Stichwort in diesem Kontext.

Keine Bakterien auf fremden Planeten einschleppen

„Wenn eine Raumsonde zum Mars geschickt wird, um Proben zu nehmen, möchte man nicht, dass sie irgendwelche Bakterien von der Erde auf den fremden Planeten einschleppt“, sagt Stapelmann. Umgekehrt sollen potenzielle extraterrestrische Lebensformen nicht unkontrolliert auf die Erde gelangen können. Alles, was ins Weltall geschickt wird und aus dem Weltall zurückkommt, wird daher sorgfältig sterilisiert.

Unterschiedliche Verfahren kommen zum Einsatz, etwa Autoklaven, die mit Hitze arbeiten, chemische Behandlungen oder UV-Strahlen. Doch auch dieser mehrstufige Prozess tötet nicht alle Keime und hat im Lauf der Zeit einige extrem resistente Bakterienstämme zutage gefördert – nicht ausgeschlossen, dass diese auch eine Reise zu einem fremden Planeten an Bord eines Raumfahrzeugs überleben würden. Der Schlüssel zur Bekämpfung der Erreger könnten Plasmen sein.

Eigener Plasmasterilisator gebaut

Im Labor an der RUB baute Katharina Stapelmann mit tatkräftiger Unterstützung der Hauswerkstatt ihren eigenen Plasmasterilisator auf, basierend auf der Arbeit ihres Vorgängers. Viele Komponenten, die sie benötigte, konnte sie nicht einfach von der Stange kaufen.

Die Werkstatt war lange Zeit mein bester Freund.


Katharina Stapelmann

Die Forscherin plante jede Schraube und jedes Loch an ihrem Experimentalaufbau selbst , ließ sich von der Werkstatt beraten und setzte die dort gebauten Teile im Labor zusammen. „Die Werkstatt war lange Zeit mein bester Freund“, erinnert sie sich. Um ihre Versuche genau beobachten zu können, ließ sie sich zwei Plasmakammern aus klarem Plexiglas bauen – aus dem Vollen gefräst und in Handarbeit poliert. „Danach hat die Werkstatt gesagt, dass ich damit nie wiederkommen soll“, erzählt Stapelmann lachend. „Ich habe aber auch mal Kuchen und Mettbrötchen vorbeigebracht.“

Besonders resistente Bakterien

Ursprünglich konzipierte die Elektrotechnikerin das Gerät für medizinische Anwendungen. Aber ihr war schnell klar, dass ihre Arbeit auch für die Raumfahrt nützlich sein könnte. Die ersten Ergebnisse sehen für die Planetary Protection vielversprechend aus.

In Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) testete Katharina Stapelmann das Verfahren an Metallschrauben, die mit dem besonders hartnäckigen Erreger Bacillus pumilis SAFR032 übersät waren.

Für ihre Sterilisationsversuche nutzte Katharina Stapelmann Schrauben, die von circa 25 Lagen eines besonders hartnäckigen Bakteriums überzogen waren. Bei 1000-facher Vergrößerung (rechts) kann man mit dem Rasterelektronenmikroskop die einzelnen kugelförmigen Bakterienzellen sichtbar machen. Die 25-fache Vergrößerung (links) lässt das Schraubengewinde erkennen.
© RUB, Katharina Stapelmann

Gegen herkömmliche Sterilisationsmethoden ist dieser Bakterienstamm resistent. Die Plasmabehandlung tötete aber sämtliche Keime in nur fünf Minuten ab – und das bei nur 60 Grad Celsius. Prinzipiell könnte die Plasmasterilisation ähnlich gute Ergebnisse auch bei Raumtemperatur erzielen, schätzt die Bochumer Forscherin. Die Methode würde sich also auch für hitzesensitive Bauteile eignen.

Bakterienplage in Raumstationen

Katharina Stapelmann hat nun zusammen mit dem DLR einen Forschungsförderungsantrag bei der European Space Agency gestellt. Ihre Idee: ein Plasmasterilisator für die International Space Station (ISS).

Raumstationen leiden darunter, dass sich im Lauf der Zeit Biofilme in ihnen bilden. Das sind gut organisierte Bakterienkolonien, die außerhalb der Zellen stabilisierende Strukturen aufbauen und somit besonders schwer wieder loszubekommen sind. Sie können gesundheitsschädlich sein und das Material angreifen.

Was viele nicht wissen, ist, dass die Raumstation Mir wegen solcher Biofilme aufgegeben wurde.


Katharina Stapelmann

„Was viele nicht wissen, ist, dass die Raumstation Mir wegen solcher Biofilme aufgegeben wurde“, erklärt Katharina Stapelmann. Auf der ISS soll das nicht noch einmal passieren. Wenn die Juniorprofessorin mit ihrem Antrag erfolgreich ist, möchte sie zunächst zeigen, dass ihre Methode prinzipiell mit Bakterien funktioniert, die in Schwerelosigkeit gewachsen sind.

Dazu würde sie ein Plasma auf die Raumstation schicken, das einfache Glasobjektträger sterilisieren kann. Ihre Vision ist aber ein Plasma, mit dem sich auch große Flächen behandeln lassen. „Das System ist variabel und kann auf die Bedürfnisse angepasst werden“, erklärt Stapelmann.

„Wenn sich an einer bestimmten Stelle immer wieder Biofilme bilden, könnte man durchaus etwas entwerfen, das permanent an dieser Stelle bleibt und regelmäßig vollautomatisch ein Plasma zündet.“ So könnte man Keimen im Weltall rechtzeitig den Garaus machen.

Familientradition fortgesetzt

„Ich habe mich total gefreut, dass ich quasi hinten herum doch wieder mit dem Astrobereich in Kontakt gekommen bin“, schwärmt sie. Aber warum eigentlich der Umweg und nicht direkt das Physikstudium? „In der weiterführenden Schule habe ich mich gefragt, was ich später mit dem Physikstudium machen würde“, so Stapelmann. „Ich war mir nicht sicher, ob ich als Astrophysikerin eine Stelle bekommen würde; in der Industrie wäre es wohl eher schwierig geworden. Ich bin davon ausgegangen, dass ich als Physikerin promovieren müsste, wusste aber nicht, ob ich das wollte und ob meine Noten entsprechend sein würden.“

Also fragte sich Katharina Stapelmann, wo ihre Stärken liegen. Die Antwort fand sie schnell: Elektrotechnik. Und das war gar nicht überraschend: „Mein Vater hat auch in Bochum Elektrotechnik studiert, mein Opa war an der Ingenieurschule und erhielt später sein Diplom, mein Uropa war Elektriker.“ Die Forscherin setzt also eine familiäre Tradition fort, und damit ist sie hochzufrieden. Wenn ihr Plasma es nun noch hoch zur ISS schaffen sollte, wäre der Traum perfekt.

Plasmen im Krankenhaus

Als Katharina Stapelmann ihren Plasmasterilisator entwarf, hatte sie die Anwendung in der Klinik die ganze Zeit im Hinterkopf. Die Sterilisationskammer konzipierte sie als praktische Schublade mit einer Grundfläche im DIN-A4-Format, in die die Standardtabletts für medizinisches Besteck hineinpassen. Die Schublade könnte man sogar als Sterilcontainer nutzen. „Man legt zum Beispiel ein Set für eine Bilddarm-OP in das Gerät ein, sterilisiert und kann den verschlossenen Container dann im Schrank bis zur OP lagern“, erklärt die Bochumer Juniorprofessorin.

Die Plasmasterilisation hat gegenüber herkömmlichen Verfahren einige Vorteile. Sie ist energiesparender, schneller und benötigt keine gefährliche Strahlung oder krebserregenden Chemikalien. Ein Operationsbesteck könnte man zum Beispiel bei 60 Grad Celsius in fünf Minuten sterilisieren. Außerdem kann man mit Plasmen, anders als mit Autoklaven, auch Kunststoffteile behandeln.

Autoklaven arbeiten mit feuchter Hitze, die Plastikteile schmilzt und metallische Geräte schnell stumpf werden lässt. Das sorgt auf Dauer für viel Verschleiß und somit auch für hohe Kosten. Die Plasmabehandlung würde den Materialverbrauch deutlich senken, und wäre sogar bei Raumtemperatur möglich. Lediglich sehr stark verwinkelte metallische Gegenstände lassen sich mit Plasmen nicht gut entkeimen.

Katharina Stapelmann hat bereits einen Prototypen für einen Plasmasterilisator entworfen, der in Krankenhäusern zum Einsatz kommen könnte. Zunächst tüftelte sie mit einem komplizierten Experimentalaufbau die Parameter für ein optimales Sterilisationsergebnis aus. Dann ließ sie dieses Wissen in den Prototypen einfließen, der nun wesentlich einfacher per Touchscreen zu bedienen ist. Was nun noch fehlt, ist ein Industriepartner, der das Produkt zur Marktreife bringt, also das Verfahren validiert und zertifiziert sowie die Geräte baut.

Download hochauflösender Bilder
Der Download der gewählten Bilder erfolgt als ZIP-Datei. Bildzeilen und Bildnachweise finden Sie nach dem Entpacken in der enthaltenen HTML-Datei.
Nutzungsbedingungen
Die Verwendung der Bilder ist unter Angabe des entsprechenden Copyrights für die Presse honorarfrei. Die Bilder dürfen ausschließlich für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum verwendet werden, die sich ausschließlich auf die Inhalte des Artikels bezieht, der den Link zum Bilderdownload enthält. Mit dem Download erhalten Sie ein einfaches Nutzungsrecht zur einmaligen Berichterstattung. Eine weitergehende Bearbeitung, die über das Anpassen an das jeweilige Layout hinausgeht, oder eine Speicherung der Bilder für weitere Zwecke, erfordert eine Erweiterung des Nutzungsrechts. Sollten Sie die Fotos daher auf andere Weise verwenden wollen, kontaktieren Sie bitte redaktion@ruhr-uni-bochum.de

Dokumentedownload

Unveröffentlicht

Von

Julia Weiler

Dieser Artikel ist am 2. März 2015 in Rubin ET/IT 2015 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

Teilen