Der Arabische Frühling in Ägypten: Massendemonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo im Jahr 2011
© Ahmed Abd El-Fatah

Medien in Konflikten Auf dem Weg zur Demokratie

Ein Umbruch vom autoritären Regime zur Demokratie geht immer mit Konflikten einher. Die Kommunikation der Beteiligten und die Berichterstattung in den Medien nehmen entscheidenden Einfluss auf die Situation.

Der Tahrir-Platz in Kairo. Jeder kennt ihn seit den Demonstrationen 2011, die in Ägypten den Arabischen Frühling einleiteten und zum Sturz von Präsident Mubarak führten. Ägypten auf dem Weg zur Demokratie. Es sah so vielversprechend aus. Doch auf die Wahl eines neuen Präsidenten folgte ein Militärputsch. Die Demonstrationen und gewalttätigen Auseinandersetzungen wollten auch nach dem Sturz Mubaraks nicht versiegen.

Demokratisierung wird oft als geradliniger Prozess gedacht, aber das ist sie nicht.

„Demokratisierung wird oft als geradliniger Prozess gedacht, aber das ist sie nicht“, sagt Prof. Dr. Barbara Thomaß. „Solche Transformationen sind komplex, können steckenbleiben, Rückfälle erleiden oder ganz aufgehalten werden.“ Dass es in einem Land auf dem Weg zur Demokratie Konflikte gebe, sei normal, meint die RUB-Professorin für Mediensysteme im internationalen Vergleich.

In der Tat können sie viele Formen annehmen: Konflikte rund um Wahlen, um Fragen der Bürgerrechte oder nationale Zugehörigkeit. Konflikte rund um Macht und Verteilung sowie um die Bestrafung von Gewalttätern des gestürzten Regimes.

Brisant und gewalttätig

„Konflikte im Demokratisierungsprozess sind oft brisant und schlimmstenfalls gewalttätig“, so die Kommunikationswissenschaftlerin. „Sie entstehen durch die Art und Weise, wie über die Gegenstände der Auseinandersetzung geredet, gesendet und geschrieben wird.“

Im Projekt „Mecodem: Media, Conflict and Democratisation“ untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie Medien in Ländern arbeiten, die sich auf den Weg vom autoritären Regime zur Demokratie gemacht haben. Im Zentrum der Analyse stehen vier Staaten, die sich in unterschiedlichen Stadien des Transformationsprozesses befinden, nämlich Ägypten, Kenia, Serbien und Südafrika.

In Konflikten wird oft gar nicht mehr kommuniziert.

Bislang konzentrierte sich die Forschung hauptsächlich auf die Rolle der Medien in den Aufständen, die zum Sturz des Regimes führten. Mecodem schaut hingegen auf die Kommunikation, die nach dem Sturz der alten Machthaber erfolgt.

Die Forschungsgruppe richtet den Blick aber nicht nur auf Journalisten, sondern auch auf Akteure aus der Regierung und zivilgesellschaftliche Organisationen. „In Konflikten wird oft gar nicht mehr kommuniziert“, weiß Prof. Thomaß. „Aber warum bricht die Kommunikation ab? Und wie wird der Konflikt von den Parteien dargestellt?“

Barbara Thomaß ist ab Juli 2017 zweite stellvertretende Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates.
© RUB, Marquard

Barbara Thomaß interessiert sich für den Zusammenhang von Konflikten, Demokratisierung und Kommunikation.

Ziel des Mecodem-Teams ist es, Ursachen für fehllaufende Kommunikation zu identifizieren. Die Erkenntnisse darüber, wie die Verständigung in den Konfliktregionen verbessert werden könnte, sollen am Ende direkt in die Praxis münden.

Eine entscheidende Schnittstelle zwischen Wissenschaftlern und Kommunikatoren sind Organisationen, die sich in der Medienentwicklungszusammenarbeit betätigen, etwa indem sie Journalisten schulen. In Deutschland macht das zum Beispiel die Deutsche Welle, in Großbritannien ein Ableger der BBC; auch die skandinavischen Ländern sind sehr aktiv.

Dissertation zu journalistischer Ethik

Barbara Thomaß engagiert sich seit ihrer Dissertation zur journalistischen Ethik selbst in der Medienentwicklungszusammenarbeit und weiß, dass diese weit über Journalistentrainings hinausgeht. Im Angebot sind etwa auch Beratungen, wie man die rechtlichen Grundlagen für einen freien Journalismus schaffen kann, oder Schulungen für Regierungssprecher, wie man am besten eine Pressekonferenz ausrichtet.

„Es gibt einen breiten Maßnahmenkatalog“, erklärt Thomaß. „In den vergangenen Jahren ist man immer mehr dazu übergegangen, die Maßnahmen ganz spezifisch auf eine Region zuzuschneiden.“ Denn schließlich sei kein Land wie das andere: Während für Journalisten in Syrien Sicherheitstrainings vordringlich wären, würde man Journalisten in Südafrika eher schulen, wie sie zum Beispiel mit Fremdenfeindlichkeit umgehen können.

Forschungsthema hautnah miterlebt

Die Bochumer Professorin hat ihre berufliche Laufbahn als Feld-Wald-und-Wiesen-Journalistin begonnen, wie sie selbst über sich sagt. Später betätigte sie sich als Wissenschaftsjournalistin, heute ist sie Forscherin, die sich nebenbei der Medienentwicklungszusammenarbeit widmet.

Im Zuge der Demokratisierungswelle in Osteuropa gab Barbara Thomaß zahlreiche Seminare über journalistische Ethik in der Region, war unmittelbar nach den Kriegen in Ex-Jugoslawien, später auch in Westafrika und Südindien.

Die Thematik, an der sie forscht, hat sie also hautnah miterlebt. Daher ist sie prädestiniert für ihre Aufgabe in Mecodem Wege zu finden, um die Forschungsergebnisse in die Praxis zu tragen. Derzeit führt sie Experteninterviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Organisationen der Medienentwicklungszusammenarbeit, um einen Einblick in deren Arbeitsweise in Ägypten, Kenia, Serbien und Südafrika zu erhalten.

„Wenn wir Vorschläge machen wollen, wie die Arbeit besser laufen kann, müssen wir natürlich auch wissen, welche Maßnahmen heute überhaupt schon ergriffen werden“, erklärt Thomaß.

Forschung im Ausnahmezustand

Bettina Haasen, Doktorandin von Prof. Barbara Thomaß, wollte in Burundi die Rolle von Journalisten im Kontext der umstrittenen Kommunal- und Parlamentswahlen 2015 erforschen – und geriet in einen Militärputsch. In Rubin berichtet sie über ihre Erfahrungen.

Die Wissenschaftlerin weiß, dass jede Person, mit der sie nun ein ausführliches Interview für das Projekt führt, später ein potenzieller Ansprechpartner ist, um die Ergebnisse in die Praxis zu tragen. Das ist aber nicht der einzige Weg, auf den sie sich verlässt. Sie sorgt auch dafür, dass von jeder Mecodem-Fachpublikation allgemein verständliche Zusammenfassungen entstehen, die für jeden Interessierten frei zugänglich sind.

Das Projektteam hat eine beständig wachsende Verteilerliste mit Stakeholdern, die regelmäßig über Neuigkeiten informiert werden. Außerdem sind derzeit Veranstaltungen in Vorbereitung, die Journalisten, zivilgesellschaftliche Organisationen und Regierungsvertreter an einen Tisch bringen werden.

Im Februar 2016 in Südafrika, im März in Serbien. „Bridging Dialogues nennen wir die Veranstaltungen“, erzählt Barbara Thomaß. „Wir wollen den Beteiligten unsere Erkenntnisse darlegen, wie die Kommunikation in ihren Konflikten gelaufen ist, und gemeinsam überlegen, was man besser machen kann.“ Auch ein Workshop mit EU-Politikern in Brüssel ist geplant; denn sie entscheiden mit über die Finanzierung der Medienentwicklungszusammenarbeit.

Demokratie ohne Medien, das geht nicht.

Wenn Barbara Thomaß über Mecodem spricht, hört man, dass es ihr um mehr als Wissenschaft geht. „Es ist eine Herzensangelegenheit für mich“, sagt sie. „Wie Gesellschaften nach Konflikten leben, diese Frage ist für mich ein Lebensthema. Ich habe schon immer gern an Projekten gearbeitet, die gesellschaftliche Relevanz haben.“

Die Forschung zum Zusammenspiel von Medien, Konflikten und Demokratisierung hält die Kommunikationswissenschaftlerin für sehr relevant: „Fragen der Demokratisierung treiben viele Menschen um. Aber wie wichtig freie, unabhängige und wirtschaftlich gesunde Medien für die Demokratie sind, das haben Entwicklungszusammenarbeit und Politiker lange nicht auf dem Zettel gehabt. Wem Demokratisierung wichtig ist, der muss die Medien mitdenken. Demokratie ohne Medien, das geht nicht.“

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Unveröffentlicht

Von

Julia Weiler

Dieser Artikel ist am 2. November 2015 in Rubin 2/2015 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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