Wunderschön und für Astronomen sehr aufschlussreich ist dieser Blick in den Orionnebel.
© © ESO/H. Drass et al., Additional Processing Robert Gendler

Interview Der tiefste Blick in den Orionnebel

Der Astronom Holger Drass hat zusammen mit einer Gruppe internationaler Forscher so intensiv wie niemals zuvor in den Orionnebel geblickt. Die Ergebnisse haben physikalische Gesetzmäßigkeiten in Frage gestellt.

Wenn man das Bild vom Orionnebel sieht, ist es für Laien zunächst mal überwältigend schön. Dahinter steckt aber sicher viel Arbeit. Wie lange hat es gedauert, bis es so aussah?
Das Bild ist der Abschluss einer umfassenden Datenauswertung und vielseitigen Diskussion in der wissenschaftlichen Community, die rund sechs Jahre gedauert hat. Wir haben dafür drei Mosaike erstellt, und zunächst einmal sieht man nur Rauschen in Schwarz-Weiß. Dank Filtern kennen wir die Farben. Am Schluss werden die Mosaike wieder eingefärbt und zu einem Bild zusammengefügt. Jedes einzelne Pünktchen in dem Bild kann ich mir jetzt noch einmal genauer ansehen und verifizieren.

Mit einer statistischen Methode haben wir in dieser Arbeit doppelt so viele verhältnismäßig leichte Objekte gefunden wie erwartet. Dazu gehören sogenannte braune Zwerge und Planeten, die sich frei bewegen, also nicht um ein zentrales Objekt kreisen. Die Formation so niedriger Massen in dieser Menge ist laut dem bisherigen physikalischen Gesetz eigentlich nicht erlaubt. Wir müssen also eine neue Theorie dazu entwickeln und alte physikalische Betrachtungen neu überdenken.

Wir konnten diese Objekte überhaupt nur entdecken, weil uns die moderne Technik es erlaubt, sehr schwache Lichtsignale zu registrieren und in Spektren aufzuspalten. Schon bei Galileis Beobachtungen vor etwa 400 Jahre waren sie natürlich da, wurden aber nie gesehen.

Es ist jetzt so, als hätte man eine neue Tür aufgemacht und einmal kurz hinein geblinzelt.

Was, glauben Sie, wird die Fortentwicklung der Technik in den kommenden Jahren noch enthüllen?
Es ist jetzt so, als hätte man eine neue Tür aufgemacht und einmal kurz hinein geblinzelt. So etwas könnte es im All vielleicht hinter jeder Tür geben – oder auch nicht. Solche Ergebnisse werfen natürlich gleich wieder neue Fragen auf, und so geht die Arbeit weiter. Jetzt werden wir weitere Daten gewinnen und analysieren.

Zurzeit arbeite ich an einem Instrument, das 1.000 Spektren gleichzeitig nimmt. Bisher kann man höchstens etwa ein Dutzend zusammen aufnehmen. Am Anfang meiner Diplomarbeit dachte ich, alle Fragen in dieser Arbeit beantworten zu können. Jetzt denke ich, mal sehen, wie weit ich in meinem Leben noch damit komme.

Holger Drass hat insgesamt ein Jahr lang am Teleskop der RUB in Chile gearbeitet.
© RUB, Marquard

Wie war es, in Chile auf den Sternwarten zu arbeiten?
Während meiner Studienzeit habe ich insgesamt ein Jahr lang in der Universitätssternwarte der Ruhr-Universität in Chile gearbeitet. Ein Abenteuer, bei dem man dort als Astronom alleine mit zwei Wächtern und einem Hund ist, Lady. Man ist zeitgleich Wissenschaftler, Ingenieur und Techniker. Die sehr hilfsbereiten Wächter sorgen auch für die Mahlzeiten.

In den vielen klaren Nächten beobachtet man bis zum Sonnenaufgang und zieht sich dann in einen der Ruheräume zum Schlafen zurück. Zum Ausgleich kann man am Nachmittag zum Beispiel Spaziergänge machen. In 20 Kilometern Entfernung befindet sich die Beobachtungsstation des European Southern Observatory, die auch im James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“ vorkommt. Dort leben und arbeiten zeitweilig über 200 Personen. Es ist gut, sie in der Ferne zu sehen und zu wissen, wenn irgendetwas ist, bin ich da in Sicherheit. Die Daten für die Publikation sind dort aufgenommen worden.

Zur Person

Dr. Holger Drass hat nach seinem Abitur zunächst eine Ausbildung zum Rettungsassistenten absolviert und studierte dann Physik in Dortmund, bevor er nach Bochum in die Astronomie wechselte. Insgesamt ein Jahr lang arbeitete er an der Universitätssternwarte der RUB in Chile. Dort lernte er auch seine jetzige Frau Paulina kennen, ebenfalls eine Astronomin.

Beide arbeiten zurzeit als Post-Docs an der Astronomischen Fakultät der Pontificia Universidad Católica in Santiago, er mit Fokus auf die Milchstraße, sie auf das Weltall außerhalb der Milchstraße. „Im Endeffekt wollen wir wissen, wie das Universum angefangen hat“, so Paulina Drass.

 

Unveröffentlicht

Von

Meike Drießen

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