Prof. Dr. Thomas Söding ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat zum Reformationsjubiläum und begleitet seit 2008 die Pläne für die Feierlichkeiten.
© RUB, Kramer

Vaterunser Gemeinsam zu Gott beten

Das Ergebnis einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit ist eine jüdisch-christliche Auslegung des bekanntesten aller Gebete.

Ein Bochumer Theologe und ein liberaler Landesrabbiner aus Hamburg legen eine jüdisch-christliche Lesart des Vaterunsers vor und geben damit die Antwort auf die Frage, unter der im Jahr 2011 ein Forschungsprojekt gestartet ist. Können Juden und Christen gemeinsam beten? Ja.

Originalveröffentlichung

Moshe Navon, Thomas Söding: „Gemeinsam zu Gott beten. Eine jüdisch-christliche Auslegung des Vaterunsers“, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2018, 176 Seiten, ISBN 978-3-451-34056-7

2011 hat Dr. Moshe Navon, früher Rabbiner in Bochum, als jüdischer Theologe am Lehrstuhl Neues Testament bei Prof. Dr. Thomas Söding gearbeitet, unterstützt von einem ökumenischen Solidaritätskreis. „In dieser Konstellation hat sich ein fruchtbarer interreligiöser Dialog in der Theologie entwickelt“, so Söding.

Gleichzeitig hat Wissenschaft sozialpolitisch gewirkt, weil durch die Anstellung das Aufenthaltsrecht Navons und seiner Familie in Deutschland gesichert werden konnte. Andernfalls hätte Navon die Abschiebung nach Israel gedroht. Mittlerweile hat er eine feste Anstellung als Landesrabbiner der liberalen jüdischen Gemeinde zu Hamburg.

Religiöse Herzensbildung

Damals ist der Plan gereift, ein gemeinsames Buch über das Beten von Juden und Christen zu schreiben. Jetzt liegt es vor: Das Vaterunser wird jüdisch-christlich ausgelegt – und damit wird gezeigt, dass es für ein gemeinsames Beten gut ist. Im Vorwort erklären die beiden Autoren: „Im Vaterunser fließt das Herzblut Jesu, den Juden als ihren Bruder erkennen und Christen als ihren Messias bekennen können. Eine jüdisch-christliche Exegese des Vaterunsers ist religiöse Herzensbildung. Wenn das Buch in einem solchen Geist gelesen werden könnte, wären wir froh.“

Das hat was!


Thomas Söding

Obwohl jede Religion ihre eigene Vorstellung von Gott hat, gibt es zwischen Juden- und Christentum genug Überschneidungen, die ein gemeinsames Gebet ermöglichen. Mit dieser These startete das Forschungsprojekt „Jüdisches und christliches Beten“ im Jahr 2011. Ziel war es, christliche Grundgebete als jüdische Traditionen zu identifizieren. Hierzu mussten die Gebete, beispielsweise das Vaterunser, in ihre Entstehungszeit eingeordnet werden, was eine außerordentlich gute Kenntnis der syrischen und aramäischen Literatur erforderte.

„Moshe Navon ist daher für das Forschungsprojekt von entscheidender Bedeutung“, so Söding zum Projektstart, „da er die religionswissenschaftlichen Quellen kennt wie kaum ein anderer. Und man muss ja auch mal sagen: Das ist doch nicht selbstverständlich, dass ein Jude an einem christlichen Thema arbeitet. Das hat was!“

Veröffentlicht

Mittwoch
28. März 2018
09:20 Uhr

Von

Jens Wylkop

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