Max Dreier, Klaus Gerwert und Stefan Tenningkeit (von links) betrachten die Darstellung eines Proteins. © RUB, Kramer

Proteinforschung Wie Licht Gehirnaktivitäten anstoßen kann

Bochumer und Berliner Forscher haben im Detail aufgeklärt, wie sich ein Ionenkanal nach Lichteinwirkung öffnet.

Die Optogenetik erlaubt es, Gehirnprozesse mit Licht zu steuern. Sie beruht auf der Nutzung lichtgesteuerter Proteine wie dem Channelrhodopsin-2, einem Ionenkanal, der sich bei Lichteinwirkung öffnet und damit zelluläre Prozesse aktivieren kann. Seine Arbeitsweise haben Forscher der RUB gemeinsam mit Kollegen von der Humboldt-Universität zu Berlin nun im Detail aufgeklärt. Das Team um Prof. Dr. Klaus Gerwert und Prof. Dr. Peter Hegemann berichtet in der Fachzeitschrift PNAS vom 19. April 2019.

Großes therapeutisches Potenzial

In der Optogenetik sehen Forscherinnen und Forscher ein großes therapeutisches Potenzial. „Man kann sich vorstellen, dass Blinde damit wieder sehen könnten, oder dass es gelingt, die Schüttellähmung bei Parkinson mittels Licht zu behandeln“, erklärt Klaus Gerwert.

Das von Peter Hegemann entdeckte Channelrhodopsin-2 ist das zentrale lichtaktivierbare Protein in der Optogenetik. Stattet man Nervenzellen mit diesem Ionenkanal aus, kann man die Kanäle durch Lichteinstrahlung öffnen und damit Gehirnaktivitäten gezielt steuern.

Peter Hegemannn (links) und Klaus Gerwert haben an der jetzt veröffentlichten Studie zusammengearbeitet. © Privat

Allerdings gab es bislang widersprüchliche Vorstellungen davon, wie sich der Kanal im Detail öffnet. „Aber gerade das Verständnis der molekularen Reaktionen im Protein und der resultierenden Ionenleitung ist essenziell, um das Protein für seine möglichen Anwendungen gezielt zu optimieren“, sagt Gerwert.

Zwei parallele Wege

Gemeinsam konnten die Bochumer und Berliner Forscher die Details der Kanalöffnung nun enträtseln. Die Kombination von zeitaufgelöster Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie, biomolekularen Simulationen und elektrophysiologischen Experimenten zeigte, dass durch Lichtanregung nicht nur wie bisher angenommen eine, sondern zwei unterschiedliche Strukturen angeregt werden. Eine führt dabei zu der gewünschten Kanalöffnung, die in der Optogenetik genutzt wird. Der parallele Weg liefert nur einen schwachen Protonenstrom, gewinnt aber bei längerer Belichtung die Oberhand und unterdrückt die gewünschte Kanalöffnung. Dadurch nimmt die Effektivität des optogenetischen Werkzeugs nach kurzer Zeit stark ab. „Wenn wir den unerwünschten Parallelweg durch gezieltes Proteindesign blockieren, können wir das optogenetische Werkzeug also entscheidend verbessern“, folgert Gerwert.

Originalveröffentlichung

Jens Kuhne, Johannes Vierock, Stefan Alexander Tennigkeit, Max-Aylmer Dreier, Jonas Wietek, Dennis Petersen, Konstantin Gavriljuk, Samir F. El-Mashtoly, Peter Hegemann, Klaus Gerwert: Unifying photocycle model for light adaptation and temporal evolution of cation conductance in channelrhodopsin-2, in: PNAS, 2019, DOI: 10.1073/pnas.1818707116

Veröffentlicht

Dienstag
23. April 2019
10:46 Uhr

Von

Meike Drießen

Teilen