Kartografie Wie das Gehirn Landkarten verarbeitet
Gitter können uns helfen, uns auf Karten besser zu orientieren. Ganz besonders, wenn sie blau sind.
Was passiert im Gehirn, wenn wir eine Landkarte betrachten? Und wie können wir ihm helfen? Diese Fragen hat das Team eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Projekts unter Leitung von Prof. Dr. Frank Dickmann, Lehrstuhl Kartographie der RUB, untersucht. Es zeigte sich unter anderem, dass Gitterlinien über der Karte für eine bessere Orientierung sorgen, ohne störend zu sein. Daraus folgern die Forscherinnen und Forscher, dass Gitterstrukturen im Gehirn anders verarbeitet werden als Ortsinformationen. Beteiligt an dem Projekt war außerdem die International Psychological University, Berlin.
Gitter können helfen
Die Vorstellung, die wir uns anhand einer Karte über eine Umgebung machen, weicht oft von der Wirklichkeit ab. Lage und Distanz von Orten stimmen nicht – das kennen viele aus eigener Erfahrung, und kognitionswissenschaftliche Studien belegen unbewusste Verzerrungen. „Wir wollten wissen, ob man diesen Effekten durch Veränderung der Karten vorbeugen kann“, sagt Frank Dickmann. „Das ist vor allem für das Verständnis von topografischen Karten entscheidend, die im Gegensatz zu thematischen Karten geometrisch präzise Informationen vermitteln sollen.“
Das Projekt hat gezeigt, dass Grafikelemente, die auf eine verstärkte Referenzierung auf den umgebenden Raum abzielen, die Gedächtnisleistung von Probanden positiv beeinflussen. Durch die visuelle Anwesenheit von Gittern steigt die Anzahl der Objekte, die überhaupt räumlich erinnert werden, aber auch die räumliche Präzision, mit der die Position von Objekten erinnert wird. Dabei ist es unerheblich, ob die Gitterlinien durchgezogen, gestrichelt oder nur die Gitterkreuze präsentiert werden. Die Farbe der Gitterlinien jedoch beeinflusst die Gedächtnisleistung: Überraschend zeigt sich hier ein Vorteil für blaue Gitterlinien etwa im Vergleich zu schwarzen oder dunkelbraunen.
Einsichten durch Eye-tracking
Mittels Eye-tracking, bei dem Pupillenbewegungen gemessen werden, konnte das Team Einblicke in die kognitiven Vorgänge gewinnen, die durch raumreferenzierende Kartenelemente hervorgerufen werden. „Erstmals konnten wir zeigen, wie die regelmäßigen Gitterstrukturen in kartografischen Darstellungen den Wahrnehmungsprozess während des Kartenlesens beeinflussen“, berichtet Frank Dickmann. Sogenannte Heatmaps dokumentieren deutliche Auslenkungseffekte auf die Blickrichtung entlang der Gitterlinien. „Überraschend war, dass Gitterstrukturen einen solchen Einfluss ausüben, ohne dabei selbst besondere Aufmerksamkeit des Betrachters hervorzurufen“, so der Forscher.
Folgen für die Praxis
Auch wenn Grafikelemente, die zusätzlich in Karten eingetragen werden, die Lesbarkeit meist beeinträchtigen, überwiegen deutlich die Vorteile für die kognitiven Prozesse des Kartenlesens und damit für die Entwicklung eines besseren Orientierungsvermögens.