Neurowissenschaft Wie ein Schmerz den anderen unterdrückt
Der Körper kennt verschiedene Mechanismen, die schmerzhafte Empfindungen dämpfen. Mit neuen Methoden lassen sie sich untersuchen.
Wenn zwei schmerzhafte Reize gleichzeitig auf uns wirken, nehmen wir den einzelnen als weniger schmerzhaft wahr. Dieses Phänomen ist Teil des körpereigenen Schmerzhemmsystems. Ist diese Hemmung gestört, kann das auf eine chronische Schmerzerkrankung hinweisen. Forschende des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums Bergmannsheil, Klinikum der RUB, haben eine Untersuchungsmethode dafür entwickelt. Sie konnten zeigen, dass sie sowohl mit elektrischen Schmerzreizen als auch mit Hitzeschmerz effektiv funktioniert. Zwei aufeinander aufbauende Studien dazu sind in den Zeitschriften Brain Sciences und BMC Neuroscience veröffentlicht.
Der gleiche Reiz tut unterschiedlich weh
Das körpereigene Schmerzhemmsystem ergründen Forscherinnen und Forscher mit der Untersuchungsmethode namens Conditioned Pain Modulation, kurz CPM. „Dabei wird erfasst, wie stark ein Schmerzreiz das Erleben eines anderen, gleichzeitig dargebotenen Schmerzreizes hemmt“, erklärt Privatdozent Dr. Oliver Höffken, Neurologe am Bergmannsheil.
In der ersten Studie hat das Forschungsteam um Oliver Höffken, Dr. Özüm Özgül und Prof. Dr. Elena Enax-Krumova ein etabliertes CPM-Modell mit einer neuen Variation verglichen. Bei der CPM spielen immer zwei Schmerzreize eine Rolle. Der erste Reiz, Testreiz genannt, wird zweimal verabreicht: einmal allein und einmal in Verbindung mit dem zweiten, dem Konditionierungsreiz. Die Testperson soll einschätzen, wie schmerzhaft der Testreiz alleine war und wie er sich angefühlt hat, während der Konditionierungsreiz verabreicht wurde.
Ein objektives Kriterium
In der aktuellen Arbeit verglich das Team zwei verschiedene Testreize: einen bewährten durch Hitzeschmerz und einen neuen, ausgelöst durch eine elektrische Stimulation der Haut. In beiden Fällen wurde der Konditionierungsreiz durch kaltes Wasser erzeugt.
„Wir konnten zeigen, dass beide Verfahren vergleichbar effektiv sind“, erklärt Oliver Höffken. Die elektrische Stimulation der Haut hat gegenüber dem bisher verwendeten Hitzeverfahren einen entscheidenden Vorteil: Sie erlaubt es, gleichzeitig die durch die elektrischen Reize der Haut ausgelösten Veränderungen der Hirnaktivität mithilfe von EEG-Elektroden messen zu können. Dies fügt der subjektiven Schmerzeinschätzung der Testpersonen ein objektiv messbares Kriterium hinzu.
Zwei Mechanismen mit dem gleichen Ergebnis
In der zweiten Studie verwendeten die Forscher das zuvor getestete CPM-Modell mit der elektrischen Stimulation der Haut und verglichen dieses mit dem schmerzlindernden Effekt von kognitiver Ablenkung. Sie konnten feststellen, dass sowohl die CPM-Methode als auch kognitive Ablenkung zu einem ähnlichen Grad das Schmerzempfinden senken können. Jedoch zeigten sich bei den beiden Methoden verschiedene Ergebnisse in der Messung der elektrischen Potenziale. „Auf Grundlage unserer Messungen gehen wir davon aus, dass es sich bei den beiden untersuchten schmerzlindernden Effekten um zwei verschiedene neurale Mechanismen handelt, die lediglich zum gleichen Effekt führen“, so Höffken.